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Virga 01 - Planet der Sonnen

Titel: Virga 01 - Planet der Sonnen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Schroeder
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mit fachkundigem Blick von allen Seiten. Klinge mit dreieckigem Querschnitt. Eine Querstrebe, die als Handschutz diente, aber auch zum Werfen gut anzufassen war, und dahinter ein langer Griff, der in einer zweiten Querstrebe endete. Das Messer lag deutlich besser in der Hand als das erste.

    Hayden dachte an Admiral Fanning und an den Vorsatz, mit dem er in diese Stadt gekommen war. Er fluchte leise, drehte das Messer und ließ es fliegen. Die Spitze bohrte sich genau in die Mitte der kleinsten Zielscheibe.
    »Sie sollten im Zirkus auftreten, mein Sohn«, sagte der Händler. Hayden hörte die Bewunderung in seiner Stimme, aber er machte sich nichts daraus. »Hören Sie mal, könnten Sie nicht noch ein Weilchen hierbleiben und eine Vorstellung geben? Das würde vielleicht ein paar Kunden anlocken.«
    Hayden schüttelte den Kopf. Eine Kunst wie das Messerwerfen dürfte er eigentlich gar nicht beherrschen. »Schieres Glück«, sagte er. »Wahrscheinlich sind Ihre Messer einfach so gut, dass jeder Idiot damit ins Schwarze treffen kann.« Wohl wissend, wie lahm diese Ausrede klang, zog er den Kopf ein, drehte sich um und lief die Gasse wieder zurück.
    »Besonders schlau war das nicht«, sagte ein Schatten dicht neben ihm.
    Hayden zuckte die Achseln und ging weiter. »Was geht Sie das an?«
    Der andere blieb an seiner Seite. Hayden konnte im schwachen Licht nur erkennen, dass er hochgewachsen und schlaksig war. »Du bist jemandem noch einen Gefallen schuldig, Hayden.«
    Er wich unwillkürlich zur Seite. »Wer zum …?«
    Der Mann im Schatten lachte und trat in einen matten Lichtkreis. Durch die Ritzen eines niedrigen Fensters fiel der Schein einer Kerze auf sein Profil. Er war hager und kahlköpfig und hatte buschige Augenbrauen. »Kennst du mich nicht mehr, Hayden?
Als ich dich das letzte Mal gesehen habe, bist du auf einem wild gewordenen Bike aus Gavin geflüchtet.«
    »Miles?« Hayden stand wie erstarrt. Er wusste nur zu genau, wie solche Begegnungen eigentlich abzulaufen hätten: Der verlorene Sohn und der alte Soldat lachten vor Freude über das unerwartete Wiedersehen und klopften sich gegenseitig auf den Rücken. Dann gingen sie in eine Bar und erzählten von ihren Heldentaten, um schließlich gegen drei Uhr morgens singend wieder hinauszutorkeln. So sollte es sein. Aber er hatte Miles nie besonders gemocht, und jetzt zu erfahren, dass außer ihm noch ein einziger Mensch den Angriff auf die Sonne überlebt hatte, berührte ihn auch nicht weiter. Es änderte nichts.
    »Was machst du hier?«, fragte er, als das Schweigen ungemütlich zu werden drohte.
    »Ich passe auf dich auf, Junge«, sagte der alte Soldat. »Freust du dich nicht, mich wiederzusehen?«
    »Das kann man so nicht sagen.« Hayden zuckte die Achseln. »Aber … es ist lange her.«
    »Nun, lang oder nicht, jetzt bin ich jedenfalls hier. Was sagst du nun?«
    »Es … ist schön, dich zu sehen.«
    Miles stieß ein freudloses Lachen aus. »Richtig. Aber du wirst mir bald sehr dankbar sein, glaube mir.« Er setzte sich in Bewegung. »Komm jetzt. Wir müssen uns einen Platz suchen, wo wir in Ruhe miteinander reden können.«
    Jetzt war es so weit, dachte Hayden: die Bar, die Kriegserlebnisse, das Gelächter. Er zögerte, und Miles stieß einen tiefen Seufzer aus. »Kleiner, ich habe dir
heute den Arsch gerettet. Ohne mich hätte man dich kurzerhand für immer abgeschoben, und du hättest Rush bereits verlassen.«
    »Ich glaube dir kein Wort.«
    »Wie du willst.« Miles ging weiter. Hayden wartete noch einen Moment, dann lief er hinterher.
    »Was meinst du damit?«, fragte er.
    »›Wie schön, dich zu sehen, Miles. Wie geht es dir? Wie hast du Gavin überlebt?‹« Der alte Soldat funkelte Hayden empört an. Sie überquerten eine belebte, gut beleuchtete Hauptverkehrsstraße. »Himmel, du warst immer ein mürrischer kleiner Zwerg, aber ich kann dir eines sagen, ich bin mir nicht mehr sicher, ob es sich gelohnt hat, die Unterlagen für deine Sicherheitsüberprüfung zu fälschen.«
    »Was für eine Sicherheitsüberprüfung?« Soweit er wusste, waren bisher zwei solche Prüfungen erfolgt, eine oberflächliche anlässlich seines ersten Antrags um Aufenthaltsgenehmigung in Rush und eine zweite, gründlichere, als er sich auf die ausgeschriebene Stelle im Hause Fanning beworben hatte. Dass irgendjemand noch tiefer graben wollte, wunderte ihn nicht - und jetzt war ihm auch klar, wer das war. »Venera Fanning. Sie hat Nachforschungen über mich anstellen

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