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Virga 01 - Planet der Sonnen

Titel: Virga 01 - Planet der Sonnen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Schroeder
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lassen.«
    »Aber nicht über die Behörden«, sagte Miles und schlüpfte in eine andere Gasse, die leer war und sich in vielen Windungen an einer der Habitat-Speichen entlangschlängelte. Die Speiche selbst, ein Mosaik aus Gittertürmen, an denen hier und dort die armseligen Hütten von verzweifelten Obdachlosen klebten, ragte hoch über den Dächern in den Himmel. Durch einige
Speichen führten öffentliche Fahrstühle - sie wurden gut instand gehalten; doch diese hier war rostig und verkommen, und es gab keinerlei Beleuchtung.
    »Ein Glück, dass wir einen Mann in Fannings Netzwerk sitzen haben.« Miles war in der Dunkelheit verschwunden. Hayden folgte seiner Stimme und fragte sich flüchtig, ob er ihn hierhergelockt hatte, um ihn auszurauben. »Diesmal wollten sie nicht nur deine Papiere gegen das Licht halten und mit dem Geburtenregister abgleichen. Sie fragten nach Freunden, Angehörigen, Arbeitskollegen - ich musste sie alle in letzter Minute beibringen.«
    »Wie hast du überhaupt davon erfahren?«
    »Aha, endlich eine vernünftige Frage. He, pass auf, wo du hintrittst.« Sie hatten den Fuß der Speiche erreicht, eine knorrige Faust aus Verstrebungen und Kabeln. Jemand hatte einfach Bretter in die rautenförmigen Öffnungen geklemmt und so eine primitive Treppe geschaffen. Als Miles sie betrat, knarrte das Holz und bog sich unter seinen Füßen.
    Seine Stimme schwebte von oben herab. »Ich sehe mir alle Sicherheitsanfragen an, die wir abfangen. Das ist mein Job in der Widerstandsbewegung.«
    Hayden hörte auf zu klettern. »Widerstandsbewegung? Glaubst du daran immer noch?«
    Miles fuhr herum und sah ihn aufgebracht an. »Hayden, wie kannst ausgerechnet du so etwas fragen? Du wurdest in die Widerstandsbewegung hineingeboren - du warst das erste Baby von zwei Mitgliedern, weißt du das denn nicht mehr?«
    Hayden zog verlegen die Schultern hoch. »Aber darum geht es doch gar nicht. Wir wurden ein für
alle Mal besiegt, als die Sonne gesprengt wurde. Sie war unsere letzte Hoffnung.«
    »Dachtest du das wirklich?« Miles’ Stimme klang empört. »Wir hatten doch gerade erst angefangen, mein Junge. Und nach dem Angriff brauchten wir dich dringender denn je. Wir haben tagelang nach dir gesucht …«
    »Das wusste ich nicht. Ich bin in den Winter gestürzt.« Er schaute nach unten und registrierte nebenbei, wie die Dächer mit ihren schindelbedeckten Giebeln und den windschnittigen Traufen aussahen, wenn man sie von oben betrachtete. Von hier aus konnte er das ganze Rund des Habitats überschauen, das Labyrinth aus zusammengepferchten Gebäuden, die Straßenlaternen über sich und auf zwei Seiten, die beiden offenen Nachtkreise rechts und links, durch die unaufhörlich Slipstreams Winde pfiffen. Eine Bö schüttelte ihn, und er erkannte, dass es ihn das Leben kosten konnte, wenn er von diesem wackeligen Podest heruntergeblasen würde. Sollte er umkehren oder Miles weiter folgen? Widerwillig tastete er nach der nächsten Sprosse der Leiter. »Wo gehen wir eigentlich hin, Miles?«
    »Dahin.« Der hagere Veteran - eigentlich kannte Hayden ihn gar nicht so gut - zeigte nach oben. Drei Meter über ihm spannte sich eine Holzdecke über das Innere der Gitterspeiche. Sie war weiß und hatte seltsam breite schwarze Streifen. Hayden erkannte jäh, dass sie Schatten nachempfunden waren; der Kasten sollte unsichtbar sein, wenn man ihn aus einem ganz bestimmten Blickwinkel betrachtete - wahrscheinlich vom Amt für Öffentliche Infrastruktur aus.

    Miles überwand die letzten Meter, hob die Faust und schlug damit gegen die Holzwand. Über seinem Kopf öffnete sich ein helles Quadrat, und er kletterte hinein. »Tritt ein, Hayden.«
    Der junge Mann streckte vorsichtig den Kopf durch die Falltür und betrat zum ersten Mal seit vielen Jahren ein Versteck der Widerstandsbewegung.
    »Nein, das ist nicht unsere Zentrale«, sagte Miles, als Hayden sich in dem kleinen Raum umschaute. »Nur ein Beobachtungsposten. Wir befinden uns hier an einer der seltenen Stellen, von wo aus man durch das Fenster des Telegrafenraums der Admiralität sehen kann. Aber wir lagern hier auch sensibles Material - zum Beispiel Waffen.« Er deutete auf einen Stapel länglicher Kisten auf dem Boden.
    Der Raum hatte kaum mehr als drei Meter Seitenlänge, aber eine Leiter führte nach oben, vermutlich in eine zweite Etage. An drei Wänden hingen Verdunklungsvorhänge. Vor einem Schreibpult saß auf einem kleinen Stuhl im altmodischen Filigranstil ein Mann mit

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