Virga 01 - Planet der Sonnen
Schiffslänge einnahm. Zum größten Teil war er mit Bikes besetzt, die wie schläfrige Bienen an den Wänden hingen; doch in den Schatten des hinteren Bereichs verbargen sich zwei große Kutter. Jedes Boot war zwölf Meter lang und bis an die Zähne bewaffnet. Hayden musterte sie, während er an dem Bike, das Venera Fanning für ihn mitgebracht hatte, eine Klappe zuschlug. Die Kutter waren natürlich Waffen und ihm damit zuwider; aber sie waren auch Schiffe, und er hätte doch gern gewusst, wie schnell sie waren und wie gut sie sich steuern ließen.
Das Bike war bereit. Er musterte es ein letztes Mal mit prüfendem Blick. Es war nicht sein Bike, sondern eine Rennmaschine mit zwei abnehmbaren Beiwagen und einer Spule mit einem langen Erdungskabel für den Fall, dass man einmal schneller wäre, als die eigene Statik sich entladen konnte.
Hayden war an den letzten Abenden lange aufgeblieben, um während der Nachtschicht arbeiten zu können - weil dann weniger Leute unterwegs waren -, und deshalb erschrak er, als über dem kleinen Horizont des Bikes Martors schmales Gesicht auftauchte
wie die Karikatur einer kleinen Sonne. »Was machst du da?«, fragte der Laufbursche in gewohnt aggressivem Ton.
»Warum schläfst du noch nicht?« Hyden löste das Bike aus den Trockendockhalterungen und hob es hoch, um seine Masse zu schätzen. Es war erst vor kurzem glänzend schwarz lackiert worden, aber da und dort waren noch Spuren roter Farbe zu erkennen. Ihn störte das nicht.
»Das Gleiche könnte ich dich fragen.« Martor ging auf den Händen um die Halterungen herum, um sich anzusehen, was Hayden da trieb. In diesem Moment heulte der Wind vor den äußeren Schiffsluken besonders laut auf. Martor deutete mit dem Kopf in diese Richtung.
»Immer noch Angst vor dem Winter? Dafür ist es etwas spät«, erklärte Hayden. »Wir sind seit Tagen drin.«
»Du willst doch damit nicht etwa hinausfliegen?« Martor beobachtete entsetzt, wie Hayden die Rennmaschine zur vorderen Bike-Luke zog. »Willst du zum Eisblock gefrieren?«
»So kalt ist es nicht.« Als sie in die Mitte des Raums kamen, wollte sich das Bike selbstständig machen, und Martor stabilisierte es mit seiner eigenen Körpermasse. »Die Wolken isolieren«, sagte Hayden. »Deshalb sinken die Temperaturen nicht allzu weit. In den meisten Zonen normalerweise nicht einmal bis zum Gefrierpunkt. He, warum fliegst du nicht einfach mit? Ich will nur einen Übungsrunde drehen.«
Martor ließ das Bike sofort los. »Bist du verrückt? Ich gehe da nicht raus.«
»Warum nicht? Ich tu’s doch auch.«
Zwei Angehörige der Lukenmannschaft hatten mitgehört und lachten. Sie hockten neben den großen Holztoren und warteten auf den Befehl, sie zu öffnen. Als Hayden nickte, legten sie widerwillig ihre Spielkarten nieder und stellten sich an die Seilwinde.
»Moment mal!« Hayden und Martor drehten sich um. Mahallan, der exzentrische Waffenmeister, stand an einer der inneren Türen. Ihre Silhouette wäre durchaus reizvoll gewesen, aber sie blieb nur einen Moment an dieser Stelle, bevor sie zur Luke schwebte. »Wollt ihr beiden einen Nachtflug machen?«
Hayden zuckte die Achseln. »Im Moment ist jeder Flug ein Nachtflug.«
»Hmm. Schön, dass du deine Angst vor dem Winter überwunden hast«, sagte sie zu Martor. Der Junge errötete und stammelte etwas Unverständliches.
»Hört zu«, fuhr Mahallan fort. »Ich hätte da eine Bitte. Während ihr da draußen seid - ich weiß, es ist dunkel, ihr könnt also wahrscheinlich nichts sehen -, aber wenn ihr so etwas entdeckt, könntet ihr es mitbringen?« Sie öffnete die Faust und zeigte ihnen ein kleines verbogenes Glitzerding, das aussah wie eine Chromwespe.
Martor beugte sich darüber. »Was ist das?« Hayden fing das Objekt aus der Luft und drehte es, bis seine Flügel im Gaslicht in allen Regenbogenfarben schillerten. »Ich habe so etwas schon gesehen«, sagte er nachdenklich. »Aber ich weiß nicht, was es ist. Jedenfalls nicht lebendig.«
»Nicht im üblichen Sinn«, nickte Mahallan. Sie hockte auf seinem Bike und sah im Gegenlicht aus wie ein
Engel; nun lehnte sie sich zurück und sagte mit seltsamer Genugtuung: »Es sind Tanker .«
Martor lächelte matt. »Wie bitte?«
»Tanker. Der kleine Unterleib ist ein leerer Behälter. Wenn man ein solches Insekt fängt und öffnet, ist es gewöhnlich mit giftigen Chemikalien wie Lithium-Pentafluorphenyl-Borsäureester, Methoxy-Phenylborsäure oder Naphthyl-Borsäure gefüllt.
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