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Virga 01 - Planet der Sonnen

Titel: Virga 01 - Planet der Sonnen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Schroeder
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Schiffsinnere: Die Spuren der Kämpfe waren unübersehbar: schwebende Blutstropfen und Rauchkugeln, gesplittertes Holz und durch die Luft trudelnde Wundverbände.
    Während sie unsanft über die Holzrippen des Schiffes geschleift wurde, bemühte sich Venera, ihre fünf Sinne beisammenzuhalten. Sie musste in Erfahrung bringen, wer von den Leuten noch am Leben war und wo sie sich aufhielten. Die Raketenschächte waren im Grunde nichts anderes als eiserne Käfige, die Insassen waren also gut zu erkennen. Sie entdeckte keinen der höheren Offiziere, nur unverletzte Flieger, die sie apathisch oder verängstigt anstarrten. War Chaison denn tot?

    Dentius zerrte sie ins Zentrum der Zentrifuge, die man in Rotation versetzt hatte. Erschöpfte oder verwundete Piraten lümmelten in Hängematten am Rand des Rades; sie hörte sie wimmern, aber auch lachen. »Meine Kabine«, sagte sie zu Dentius und zeigte mit ihren gefesselten Händen darauf.
    »Das ist die Kapitänskabine«, bemerkte er. »Bist du die Frau des Kapitäns?«
    Sie schüttelte den Kopf. Chaison Fanning hatte Sembrys Kabine mit Beschlag belegt, so dass der Kapitän der Krähe sich anderswo eine Koje hatte suchen müssen. »Ich war die Frau des Admirals«, gestand sie. »Aber der ist tot und treibt irgendwo zwischen den Wolken.«
    Venera zweifelte nicht daran, das Dentius die Männer bei der Folterung auch nach ihr gefragt hatte. Es war sinnlos, ihren Status verleugnen zu wollen.
    Dentius stieß sie kommentarlos in die Kabine, wo zwischen umgestürzten Truhen die Kleidungsstücke wild durcheinanderlagen. Die meisten Sachen hatten natürlich Sembry gehört. Chaison reiste mit leichtem Gepäck.
    Ihre Schmuckschatulle lag auf dem Boden, der Deckel stand offen, die Unglückskugel lag immer noch auf ihrem Samtpolster. Die Drehung der Zentrifuge verursachte ihr Übelkeit, also setzte sie sich auf die Bettkante und ordnete demonstrativ ihre Kleidung.
    »Also …« Dentius nagte an einem schwieligen Knöchel. »Warum hast du auch die anderen Brückenleute getötet?«
    Sie zuckte die Achseln. »Sie … hatten was gegen meine Taktik.«

    Dentius lachte. »Venera Fanning, so heißt du doch?«
    »Richtig«, sagte sie und reckte das Kinn vor. Ihr Herz klopfte zum Zerspringen; sie war in den Künsten der Täuschung wohl bewandert, aber sie glaubte nicht, dass sie ihm diese Gelassenheit noch lange vorspielen konnte. Dentius zog sich einen Stuhl heran, setzte sich und faltete die Hände im Schoß. »Nun«, sagte er, eine grauenhafte Parodie höflicher Konversation, »was führt dich in unseren Winter, Venera Fanning?«
    »Ein Schatz«, antwortete sie prompt. »Genauer gesagt, ein Piratenschatz … welche Ironie.«
    Dentius schüttelte den Kopf. »Wenn es hier draußen irgendwelche Schätze gäbe, die diesen Namen verdienen, hätte ich sie mir schon vor Jahren geholt und damit eine Flotte gebaut, um Aerie zurückzuerobern. Niemand bringt Dinge von Wert in den Winter. Wer hier etwas besitzt, der zieht damit an einen sonnigen Ort.«
    »Ich weiß«, sagte sie. »Aber das war nicht immer so. Es gab Zeiten, da flogen regelmäßig Konvois durch den Winter und beförderten Waren zwischen Candesces Prinzipalitäten und den äußeren Nationen. Und in diesen Zeiten gab es auch Schätze zu erbeuten.«
    Dentius überlegte eine Weile. Eben hatte er noch das Gesicht eines brutalen Einfaltspinsels zur Schau getragen, doch nun entspannten sich seine Züge nach und nach, bis ein enttäuschter, des Lebens überdrüssiger Mann vor ihr saß. Nach einer Weile sagte er: »Ich kenne diese Märchen. Wer hätte sie nicht gehört? Es gab sogar eine Zeit, da glaubte ich an solche Geschichten.« Und mit schwachem Lächeln fuhr er fort: »Es
geht um Anetene, nicht wahr? Du redest von … wie würdest du es ausdrücken? … ›Anetenes legendärem Schatz‹.«
    Venera runzelte über seine müde Skepsis nur die Stirn. »Richtig«, sagte sie. »Wir waren auf dem Weg zur Touristenstation, denn dort befindet sich die Karte.«
    Dentius lachte. »Du musst den Verstand verloren haben«, sagte er. »Anetene ist eine Legende. Sicher, er hat gelebt, und er war ein großer Pirat. Diejenigen Angehörigen meiner Besatzung, die das Pulver nicht gerade erfunden haben, schwören auf ihn. Aber der Schatz ist ein reiner Mythos.«
    »Mag sein«, sagte sie achselzuckend. »Aber die Karte, die zu ihm führt, gibt es tatsächlich.«
    Er kräuselte nachsichtig die Lippen und erkundigte sich verschmitzt: »Und wie kommt ein Admiral von

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