Virga 01 - Planet der Sonnen
lange Nebelfahnen hinter sich herziehend, aus dem Dunst und stürzten, allmählich schneller werdend, auf die weit entfernte Erste Sonne zu. Die Piraten hatten ihre Deckung verloren, die Verwirrung war groß. Vielleicht hatte seine Aktion die Wende gebracht.
Mit einem hatte er jedoch nicht gerechnet: Die auf die Sonne zustürzenden Eisberge nahmen ihr Wetter mit. Das Schlachtfeld verschwand rasch in einer riesigen Wolkenmasse. Schon blökten Nebelhörner durch das Halbdunkel, um Kollisionen zwischen den Schiffen zu verhindern.
Martor zappelte vor Ungeduld. »Und jetzt fliegen wir zur Krähe zurück!«
Hayden nickte und jagte den Motor hoch; aber er hatte Bedenken. Die Schiffe waren durch Nebel und Minen voneinander getrennt, es konnte lange dauern, bis jemand der Krähe zu Hilfe kam. Vorsichtig manövrierte er das Bike durch die Dunstschichten, immer mit halbem Ohr auf Gewehrfeuer oder Raketen lauschend. Doch es blieb verdächtig still.
Plötzlich ragte ein schwarzer Rumpf vor ihm auf, und er musste das Bike drehen und Gas wegnehmen, um rechtzeitig anhalten zu können. »Das ist der Korsar!«, sagte Martor und tastete nach dem Schwert, das er im Beiwagen verstaut hatte. »Hört sich an, als hätten wir gesiegt!«
Hayden kroch so leise wie nur möglich um den Rumpf herum. Die Krähe und das Piratenschiff waren immer noch durch Taue verbunden, und auf beiden Seiten brannte Licht in den Bullaugen. An den Triebwerken der Krähe arbeiteten graue Schatten, der Kampf musste tatsächlich vorüber sein.
Martor platzte fast vor Ungeduld. »Nun komm schon, worauf wartest du noch?«
»Pst!« Hayden stellte den Motor ab und ließ das Bike auf das Heck der Schiffe zutreiben. Aus den Schatten wurden allmählich menschliche Gestalten, ein ähnlicher
Vorgang, wie er ihn einmal bei einer fotografischen Entwicklung erlebt hatte.
»He, das sind keine …« Hayden griff rasch nach Martors Arm und legte den Finger auf die Lippen. Der Junge wich zurück.
»Aber das kann nicht sein! Wir müssen etwas tun.«
»Martor, sie haben die Krähe in ihre Gewalt gebracht«, flüsterte Hayden. »Wir können nicht mehr zurück.«
»Aber jemand muss Aubri beschützen! Hör zu«, flehte Martor, »wir können uns auf den Rumpf setzen wie müde Vögel, und wenn sie am wenigsten darauf gefasst sind …« Hayden schüttelte den Kopf.
Martor versuchte es noch einmal. »Dann verstecken wir uns hinter ihnen in den Wolken und folgen ihnen … Was ist?«
»Wir haben noch für zehn Minuten Treibstoff, höchstens. Wenn die Piraten jetzt noch nicht da draußen sind, werden sie jeden Moment Bikes absetzen, die Ausschau nach Verfolgern halten. Und du weißt genau, dass sie jeden Zoll des Rumpfes drinnen und draußen nach blinden Passagieren absuchen werden.«
»Du willst zu einem der anderen Schiffe zurückfliegen? Nein! Ich bleibe hier und kämpfe.«
»Martor, nun sei nicht albern. Du würdest keine zehn Sekunden überleben.« Mochte der Junge ruhig denken, sie würden auf ein anderes Schiff zurückkehren. Wenn er begriff, dass ihr Ziel in Wahrheit die Touristenstation war, wäre es zu spät.
Die Vorstellung, sich jetzt aus dem Staub zu machen, verursachte Hayden Übelkeit. Aubri Mahallan diesen Ungeheuern zu überlassen, wäre eine weitere
Niederlage in einem Leben voller Niederlagen. Und seltsamerweise war ihm der Gedanke, dass Admiral Fanning tot war oder es bald sein würde, kein Trost. Wer interessiert sich schon für ihn?, fragte eine innere Stimme, mit der er nicht gerechnet hatte. Nur du allein, und was zählst du schon?
»Ich tue das wirklich nicht gern«, sagte er aufrichtig. »Aber wir müssen …«
Er schaute gerade noch rechtzeitig auf, um den schwarzen Raketenzylinder in Martors Händen auf sein Gesicht zurasen zu sehen. Dann gab es einen großen Knall, und es wurde dunkel um ihn.
12
Als kleines Mädchen hatte Venera Fanning in einem kanariengelben Zimmer gewohnt. Die Wände waren mit kleinen Bäumen und Luftschiffen bemalt, und ihr Bett hatte einen Baldachin aus staubigem Samt und stand an einer Wand.
Wenn sie bei Nacht das Ohr an den rauen Verputz drückte, konnte sie die Schreie der Männer und Frauen hören, die im Verlies ihres Vaters gefoltert wurden.
Im Lauf des vergangenen Tages hatte sie oft an zu Hause denken müssen. Doch jetzt waren die Schreie, die durch die Krähe schallten, verstummt, und es war halbwegs still geworden. Deshalb hörte sie deutlich, wie jemand, der ziemlich groß sein musste, durch das spärlich
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