Virga 01 - Planet der Sonnen

zu.
    Gleich darauf tauchte ein schmales, bleiches Gesicht vor dem Käfig auf. Der Pirat war jung und so spindeldürr, dass es fast schon grotesk war, und er trug geflickte Jacken, Westen und Hosen in mehreren Schichten übereinander. Nun stieß er aus sicherer Entfernung zwei Flaschen auf den Käfig zu. »Die eine zum Pissen, die andere zum Trinken«, sagte er, während sie heransegelten. »Nicht verwechseln.«
    Admiral Fanning räusperte sich. »Wo fliegen wir hin?«, fragte er ruhig.
    »Zum Tummelplatz der Voyeure«, antwortete der Pirat. »Wenn wir den Rest unserer Flotte eingeholt haben.« Er stieß sich vom Käfig ab und kletterte nach oben wie eine vierbeinige Spinne.
    »Was ist der Tummelplatz der Voyeure?«, flüsterte Travis.
    »Ich glaube, er meint die Touristenstation«, sagte Fanning. »Das ist keine gute Nachricht. Es bedeutet, sie haben herausgefunden, was wir vorhaben.«
    Travis seufzte. »Na großartig. Sie wollen also sagen, die Piraten wissen, wozu wir in den Winter fliegen,
während Ihre Offiziere das Ziel unserer Mission noch immer nicht kennen?«
    Hayden sah, dass Martor gleichmäßig atmete, und wandte sich Fanning zu. Der Admiral machte ein bekümmertes Gesicht.
    »Die Männer sollten erst erfahren, dass wir nach einem berühmten Schatz suchten, wenn wir an Ort und Stelle wären«, sagte er. »Wir dachten, sonst könnte … die Disziplin unter den zwangsrekrutierten Besatzungsmitgliedern leiden.«
    Carrier lachte schallend. »Sie meinen, die Leute hätten womöglich gemeutert, um mit dem Schatz reich wie die Könige zu werden?«
    »Ja, Mr. Carrier. Genau das meine ich.«
    Hayden starrte von einem zum anderen. Was sollte das Gerede von einem Schatz?
    »Aber warum unternimmt man eine solche Expedition gerade jetzt?« Travis schüttelte den Kopf. »Wir befinden uns im Krieg mit Mavery. Es gibt Anzeichen dafür, dass die Falkenformation diesen Umstand für eine Invasion nützen könnte. Wieso rennen wir da auf der Suche nach Gold um die halbe Welt? Es sei denn …«
    »Halten Sie den Gedanken fest, Travis«, sagte Fanning. »Wir tun es für den Fortbestand Slipstreams und unseres jüngsten Satellitenstaates.« Damit konnte nur Aerie gemeint sein. Hayden zuckte zusammen. »Tatsache ist«, fuhr Fanning fort, »dass unsere Kriegsflotte den Falken nicht gewachsen ist. Wir brauchen einen Vorteil, und da unser Pilot alle unsere derzeitigen Nachbarn mit Erfolg verärgert hat, kann dieser Vorteil nicht diplomatischer Natur sein. Er muss militärisch sein.«

    »Aber ein Piraten schatz ?«
    »Vergessen Sie doch den Schatz, Mann. Den können wir meinethalben unter den Männern aufteilen. Mich interessiert viel mehr, was angeblich zusammen mit dem Schatz aufbewahrt wird. Dieser Gegenstand wäre für jeden unserer Männer wertlos - für die Piraten übrigens auch.«
    »Und das wäre …?«
    Fanning lächelte geheimnisvoll. »Wir vergessen manchmal, Travis, dass wir in einer künstlichen Welt leben - einer Welt, die von so riesigen Maschinen am Laufen gehalten wird, dass uns kaum noch bewusst wird, dass es überhaupt Maschinen sind. Und alles, was von Menschen gebaut wurde, hat Türen und Schlösser … Ich habe schon zu viel gesagt. Genug damit, dass wir mit der Falkenformation leicht fertig werden sollten, wenn wir finden, wonach wir suchen.«
    Travis - und Hayden - warteten. Als weiter nichts kam, wurde Travis ärgerlich. »Sagten Sie nicht erst vor ein paar Minuten ›zur Hölle mit der Mission‹? Und jetzt schützen Sie genau diese Mission schon wieder.«
    »Das liegt daran, dass mich unser Wohltäter hier«, Fanning nickte in die Richtung, in die der Pirat verschwunden war, »auf eine Idee gebracht hat.«
    Hayden entschied sich zu melden, dass er aufgewacht war. »Wie geht’s dem Kleinen?«, fragte er - obwohl er auch gern mehr über diesen Schatz erfahren hätte. Seine Stimme klang heiser; beim Sprechen kam ihm zu Bewusstsein, wie schrecklich hungrig und durstig er war.

    »Der Junge wird sich erholen«, sagte Carrier. »Was meinen Sie, Admiral?«
    Fanning streckte sich und zog da an den Stangen des Raketenschachtes, wo sie am Schiffsrumpf festgenietet waren. »Das Schiff wurde ursprünglich nicht für den Winter gebaut«, sagte er. »Es wurde nachgerüstet. Nun habe ich einmal erlebt, wie sich ein solcher Schacht im Winter während eines Manövers von der Wand löste. Die Ursache waren Frostschäden an den Planken.« »Ach ja?«
    »Wenn wir hier und hier …« Der Admiral zeigte auf verschiedene