Virga 01 - Planet der Sonnen
jetzt zum Treffpunkt mit unseren Brüdern fliegen. Und ihren Rauch werden wir zwei-, nein, dreihundert Kilometer weit hinter uns herziehen!« Er hob die Faust, und seine Männer jubelten.
Dentius war letzte Nacht zu Venera gekommen, und sie hatte sich seine perversen Annäherungsversuche
ohne Widerstand gefallen lassen. Ihr Ekel vor dem Mann hatte dabei eine fast religiöse Intensität erreicht; einen solchen Sturm von Gefühlen hatte sie nicht mehr erlebt, seit man ihr die Verbände abgenommen und sie in ihrem Spiegel zum ersten Mal die Narbe gesehen hatte. Zugleich hatte sie gewusst, dass er nur auf einen Angriffsversuch von ihr wartete. Er hätte mit Freuden jeden Vorwand benützt, um sie zu töten. So hatte sie, anstatt nach einer Haarnadel oder ihrer beruhigend schweren Schmuckschatulle zu greifen, einfach dagelegen und ihn reden lassen. Der Mann wurde fast erdrückt von der Last seiner eigenen Geschichte.
Dentius war einst Kapitän in der Flotte von Aerie gewesen. Beim Sturz seiner Nation war er mit einigen seiner Landsleute in den Winter geflohen. Aber er träumte noch immer von einer triumphalen Rückkehr, irgendwann einmal. Obwohl er es besser wusste, hatte der Gedanke, Anetenes Schatz könnte tatsächlich existieren, seine Fantasie beflügelt. Er musste einfach darüber reden, was er mit einer Riesensumme Geldes anfangen könnte: nämlich eine eigene Flotte bauen und seine Heimat befreien. Dentius sah sich selbst immer noch als den kampfbereiten Flieger, der nur auf den richtigen Moment wartete. Er war nicht wirklich zum Piraten geworden, auch wenn er sich damit abgefunden hatte, diese Rolle zu spielen.
Venera hatte dagelegen, einen Arm über den Augen, und sich inständig gewünscht, er würde bei diesem Versuch einer Rechtfertigung, ja einer Überhöhung seiner Lebensweise jäh verstummen und sterben.
Jetzt suchte er die Aufmerksamkeit seiner Männer noch länger etwas zu fesseln. »Seid ihr bereit?«, brüllte
er. Die Fackelträger reckten die Fäuste in die Höhe. »Nun gut. Dann zündet sie an!«
Wenn Venera jetzt nicht sprach, wäre es zu spät. Aber es würde nichts nützen. Als die ersten Schreie von den Netzen aufstiegen, konnte sie nur den Kopf abwenden. Aubri Mahallan schluchzte.
»Alle Maschinen langsam voraus«, kommandierte Dentius. »Wir brauchen nur einen Hauch von einer Brise, um die Flammen nach hinten zu drücken, damit sie auch die Übrigen erfassen.« Die Crew des Piratenschiffs pfiff und johlte jetzt so laut, dass sie die Schreie von der Krähe fast übertönte. Dentius schaute wie ein fahler Vogel auf einem Ast auf die Szene hinab und lachte.
Venera nahm das Krachen erst wahr, als sie eine Bewegung im Augenwinkel bemerkte. Sie drehte sich um, aber es war schon vorbei. Doch als sie sich wieder zurückwandte, stutzte sie: Aus der Dunkelheit schossen zwanzig Bikes. Gewehrfeuer blitzte auf, und plötzlich purzelten Dentius’ Piraten von den Netzen, und im Feuerschein glänzten rote Blutstropfen.
»Holt sie euch!« Hastig kletterte Dentius an der langen Stange ins Schiff zurück. Seine Stellvertreter folgten seinem Beispiel. Venera und Aubri Mahallan blieben wie lebende Ziele zwischen den Schiffen hängen.
Tiefes Triebwerksbrummen kündigte das Erscheinen von fünf zylindrischen Schatten an. Die Trennung , die Folterer , die Unsichtbare Hand , die Klarheit und die Arrest setzten sich in Sternenformation um die Krähe und ihren Gegner. Die Luft war erfüllt vom Dröhnen der Bikes und vom Krachen der Schüsse.
Allmählich erloschen die brennenden Netze. Zugleich strafften sich die Seile, die sie miteinander verbanden, und die hilflosen Männer wurden eingeholt, bis sie am Rumpf der Krähe klebten.
Jetzt wackelte auch die Stange, an die Venera und Mahallan gefesselt waren, und setzte sich in Bewegung. Sie ziehen uns in die Krähe hinein, dachte Venera erleichtert. Sie war besser gepanzert als Dentius’ Korsar. Augenblicke später erreichte Venera mit Mahallan, Dentius und seinen Stellvertretern die Brücke. Einer der Männer knallte die Stahlluke zu, und die grässlichen Laute von draußen drangen nur noch gedämpft herein.
»Wartet«, sagte Dentius nervös lachend und tat so, als zähle er die Sekunden an den Fingern ab. Bevor er bis zehn gekommen war, hörten die Schüsse auf.
Er stieß einen Seufzer der Erleichterung aus. »Wir haben ihre Männer an unseren Rumpf gefesselt«, sagte er voller Genugtuung. »Die Dreckskerle wissen, dass sie nicht auf dieses Schiff feuern
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