Virtuelles Licht
Sahne.«
»Die Räder sind toll«, sagte Chevette.
»Naja«, sagte er, »das ist bloß, um aufzufallen. Damit die Motherfucker dich sehn, bevor sie dich umnageln, verstehst du?«
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Chevette faßte den Lenker an. Spürte die Musik.
»Iß das Sandwich«, sagte er. »Siehst aus, als
könntest du's brauchen.« Sie konnte und sie tat es, und auf diese Weise kamen sie miteinander ins Gespräch.
Während sie ihre Räder die Sperrholztreppe
hinauftrugen, erzählte ihm Chevette von der Japanerin, die aus dem Fahrstuhl gefallen war und daß sie, Chevette, nicht mal auf der Party gewesen wäre, wenn sie nicht gerade in diesem Augenblick genau dort gestanden hätte. Sammy grunzte. Seine Fluorofelgen waren jetzt von einem stumpfen Beige-grau, weil sie sich nicht mehr drehten.
»Wer hat die Fete geschmissen, Chev? Hast du mal
dran gedacht, jemand zu fragen?«
Sie erinnerte sich an diese Maria. »Cody. Sie hat gesagt, es wäre Codys Party ...«
Sammy Sal blieb stehen. Seine Brauen hoben sich.
»Hm. Cody Harwood?«
Sie zuckte die Achseln. Das Papierrad auf ihrer
Schulter wog so gut wie nichts. »Keine Ahnung.«
»Weißt du, wer das ist?«
»Nein.« Sie kam auf dem Absatz an und setzte das
Fahrrad ab, um es zu schieben.
»Das große Geld. Werbung. Harwood Levine war
sein Vater.«
»Tja, hab ich dir ja gesagt, daß es reiche Leute
waren.« Sie schenkte ihm nicht viel Aufmerksamkeit.
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»Die Firma seines Vaters hat Millbanks PR gemacht, bei beiden Wahlen.«
Aber sie aktivierte jetzt die Erkennungsschlaufe, ohne sich um die Radio-Shack-Heuler zu kümmern. Sammys Fluorofelgen pulsierten, als er sein Fahrrad neben ihrem abstellte. »Ich schließ es mit meiner Schlaufe an. Hier passiert ihm sowieso nichts.«
»Genau das hab ich auch gesagt«, erklärte Sammy,
»bei den letzten beiden, die mir geklaut worden sind.« Er sah zu, wie sie die Schlaufe herauszog, sie vorsichtig um den Rahmen seines Fahrrads legte, um den pinkschwarzen Emaillelack nicht zu zerkratzen, und sie mit ihrem Daumenabdruck versiegelte.
Sie steuerte auf den gelben Lift zu, froh, ihn dort zu sehen, wo sie ihn zurückgelassen hatte, und nicht am oberen Ende der Schiene. »Laß uns die Sache durchziehen, okay?« Dir fiel ein, daß sie Skinner eigentlich Suppe von Thai-Johnnys Wagen mitbringen wollte, die süßsaure Limonensuppe, die er so gern mochte.
Als sie Sammy erklärt hatte, daß sie Botin werden und ihr eigenes Fahrrad haben wollte, hatte er ihr so ein kleines mexikanisches Helmgerät gegeben, das einem alle Straßen in San Francisco beibrachte. Nach drei Tagen hatte sie alles so ziemlich auf der Reihe, obwohl er sagte, das sei was anderes als der Stadtplan im Kopf eines Boten. Man mußte Gebäude kennen, mußte wissen, wie man hineinkam, wie man sich zu verhalten 213
hatte, wie man verhinderte, daß einem das Rad geklaut wurde. Aber als er sie zu Bunny mitgenommen hatte, war das märchenhaft gewesen.
Nach drei Wochen hatte sie genug verdient, um sich ihr erstes richtiges Rad kaufen zu können. Das war ebenfalls märchenhaft gewesen.
Irgendwann in dieser Zeit hatte sie begonnen, nach der Arbeit mit ein paar anderen Mädchen von Allied rumzuhängen, Tami Two und Alice Maybe, und so war sie schließlich im Kognitive Dissidenten gelandet, in jener Nacht, als sie Lowell kennenlernte.
»Keiner schließt hier seine Tür ab«, sagte Sammy auf der Leiter unter ihr, als sie die Bodenklappe hob.
Chevette schloß die Augen und sah einen Haufen
Cops (wie immer das auch aussehen mochte) in
Skinners Bude herumstehen. Sie machte die Augen auf und schob den Kopf nach oben, bis ihre Augen auf gleicher Höhe mit dem Boden waren.
Skinner lag auf dem Bett und hatte seinen kleinen Fernseher auf der Brust. Große, gelbe Zehennägel ragten aus den Löchern in seinen unförmigen grauen Socken. Er sah sie über den Fernseher hinweg an.
»Hi«, sagte sie. »Ich hab Sammy mitgebracht, von
der Arbeit.« Sie kletterte hoch und machte Platz für Sammy Sals Kopf und seine Schultern.
»Hallo«, sagte Sammy Sal.
Skinner starrte ihn nur an. Farben von dem kleinen Bildschirm flimmerten über sein Gesicht.
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»Wie geht's?« fragte Sammy Sal, während er
hochkletterte.
»Hast du was zu essen mitgebracht?« wollte Skinner von ihr wissen.
»Thai-Johnny hat die Suppe bald fertig.« Sie ging zu den Borden, den Magazinen. Dummes Gerede, und das wußte sie auch, weil Johnnys Suppe immer fertig war; er hatte sie vor Jahren einmal angesetzt und füllte den
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