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Virtuelles Licht

Virtuelles Licht

Titel: Virtuelles Licht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Gibson
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Pappschachtel mit diesen flachen, schwarzen Dingern, die man früher mal abgespielt hatte, wenn man Musik hören wollte, einer Tüte voller Dinosaurier aus Plastik.
    Sie konnte sich nie vorstellen, daß irgendwas davon etwas wert war, aber irgendwie war das immer der Fall.
    Der Schraubenschlüssel brachte so viel, daß sie eine Woche zu essen hatten, und zwei von den runden Dingern brachten noch mehr. Skinner wußte, woher alte Sachen kamen und wozu sie gut gewesen waren, und er konnte abschätzen, ob jemand sie haben wollte. Zuerst machte sie sich Sorgen, daß sie nicht genug für die Sachen kriegen würde, die sie verkaufte, aber das schien ihn nicht weiter zu interessieren. Wenn etwas nicht ging, wie die Plastikdinos, wanderte es einfach wieder ins Lager, wie er den Kram nannte, der sich am Fuß aller vier Wände stapelte.
    205
    Als sie wieder zu Kräften gekommen war und ihre
    neuen Haare nachgewachsen waren, begann sie, ihre Streifzüge von der Bude auf dem Turm aus weiter auszudehnen. Anfangs wagte sie sich noch nicht in eine der beiden Städte, obwohl sie ein paarmal Richtung Oakland gegangen war, auf den Ausleger hinaus, und zur Stadt hinübergeschaut hatte. Da drüben schien ihr alles anders zu sein, obwohl sie nicht so recht wußte, woran das lag. Am besten gefiel es ihr jedoch auf der Hängebrücke, wenn sie so richtig mittendrin war — all die Menschen, die herumhingen, hin und her eilten und ihren Geschäften nachgingen, und wie das ganze Gebilde jeden Tag ein bißchen wuchs und sich ein bißchen veränderte. Es gab nichts, was dem gleichkam, nicht daß sie wüßte, jedenfalls nicht in Oregon.
    Zuerst wußte sie nicht einmal, daß sie sich auf der Brücke wohlfühlte; es war einfach nur so ein komisches Gefühl, vielleicht lag es am Fieber, daß sie jetzt eine kleine Schraube locker hatte, aber eines Tages war sie zu dem Schluß gekommen, daß sie einfach glücklich war, ein bißchen glücklich, und daß sie sich daran gewöhnen mußte.
    Es stellte sich jedoch heraus, daß man gleichzeitig glücklich und ruhelos sein konnte; deshalb begann sie, ein wenig von Skinners Trödelgeld einzubehalten, um die Stadt zu erforschen. Damit war sie eine Zeitlang vollauf beschäftigt. Sie fand die Haight Street und folgte ihr bis zur Mauer um den Skywalker Park, in dem der Tempel 206
    des Todes stand, aber sie versuchte nicht,
    hineinzugehen. Da war ein langer, schmaler Park namens Panhandle, der noch öffentlich zugänglich war. Viel zu zugänglich, fand sie. Menschen, meistens alte oder solche, die alt aussahen, lagen Seite an Seite nebeneinander, in silbriges Plastik gehüllt, das die Sonnenstrahlen abhalten sollte, dieses knittrige Zeug, das glitzerte wie die Anzüge von Elvis in einem Video, das man ihnen in Beaverton manchmal gezeigt hatte.
    Chevette mußte dabei irgendwie an Maden denken, wie wenn jemand alle einzeln in kleine Stücke Folie eingewickelt hätte. Sie bewegten sich so ähnlich, immer nur ein kleines bißchen, und das war ihr nicht ganz geheuer.
    Haight Ashbury war ihr auch nicht ganz geheuer,
    obwohl es dort Gegenden gab, wo man sich fast wie auf der Brücke vorkam, kein normaler Mensch in Sicht, dafür Leute, die alles mögliche einfach so draußen in der Öffentlichkeit machten, als ob hier nie die Cops kommen würden. Aber auf der Brücke hatte sie nie Angst, vielleicht, weil immer Leute um sie herum waren, die sie kannte, Leute, die dort lebten und die Skinner kannten.
    Doch sie sah sich gern in Haight Ashbury um, weil es dort viele kleine Geschäfte und viele Läden gab, in denen man billige Fressalien bekam. Sie kannte einen Bagelladen, wo man Bagels kriegte, die einen Tag alt waren, und Skinner meinte, daß sie dann ohnehin besser seien. Er sagte, frische Bagels seien praktisch Gift, daß 207
    man davon Verstopfung bekäme oder so. Solche
    Sachen bildete er sich öfters ein. In die meisten Geschäfte konnte sie tatsächlich reingehen, wenn sie leise war, ein freundliches Gesicht machte und die Hände in den Taschen behielt.
    Eines Tages sah sie auf der Haight Street ein
    Geschäft namens Colored People, und sie konnte nicht rausfinden, was es dort gab. Hinter dem Fenster hing ein Vorhang, und davor waren ein paar Dinge ausgestellt: Kakteen in Töpfen, große, rostige Metallklumpen und ein Haufen kleiner Stahldinger, poliert und glänzend.
    Ringe und so. Kleine Stifte mit runden Kugeln am Ende.
    Sie hingen an den Nadeln der Kakteen und lagen auf dem rostigen Metall. Sie beschloß, die Tür

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