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Virtuelles Licht

Virtuelles Licht

Titel: Virtuelles Licht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Gibson
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sie Sammy Sal aus, der oben auf einer dunklen Querstrebe aus Kohlenstoffstahl stand, den Arm um einen senkrechten Pfeiler geschlungen. Sie glaubte, sein weißes Lächeln zu sehen.
    »Hast was vergessen«, sagte er und warf etwas
    herunter. Die Brille in ihrem Etui. Sie fing sie auf, obwohl ihre Hände gefesselt waren — als ob sie von selbst wüßten, wo sie hinwollten. Sie würde nie erfahren, warum er das tat.
    Denn im selben Moment machte die kleine Pistole ein ploppendes Geräusch, spie blaue Blitze wie ein Dutzend ineinander übergehende Fehlzündungen, und Sammy Sal fiel hintenüber von der Strebe und war einfach weg.
    Und dann rannte sie.
     
    241

Superball
    Yamasaki hörte Schüsse, als er dort auf dem Boden kniete, die Handgelenke mit glänzendem Kunststoff hinter der groben Metallstrebe zusammengebunden, die Skinners Wandtisch hielt. Oder war es nur das Geräusch eines hydraulischen Geräts?
    Ein starker, beißender Geruch hing im Raum. Er
    dachte, daß es der Geruch seiner Angst sein mußte.
    Seine Augen waren auf gleicher Höhe mit einem
    angeschlagenen weißen Teller, auf dessen Rand ein Fleck Avocadomus braun wurde.
    »Hab ihm gesagt, was ich habe.« Skinner kam mit
    seinen hinter dem Rücken gefesselten Händen mühsam auf die Beine. »Wollte er nicht. Die wollen das, was sie wollen, stimmt's?« Der kleine Fernseher rutschte vom Bettrand und krachte auf den Boden. Der Bildschirm flog heraus; er hing an einem regenbogenfarbenen flachen Kabelband. »Scheiße.« Er schwankte und zuckte zusammen, als er seine schlimme Hüfte belastete, und Yamasaki dachte, daß er hinfallen würde; Skinner tat einen Schritt, dann noch einen, wobei er sich vorbeugte, um das Gleichgewicht zu halten.
    242
    Yamasaki zerrte an den Plastikfesseln und jaulte auf, als er merkte, wie sie sich zusammenzogen. Wie etwas Lebendiges.
    »Wenn du an denen zerrst oder drehst«, sagte
    Skinner hinter ihm, »werden die Scheißdinger nur enger.
    Solche hatten die Bullen früher immer dabei. Ist dann als verfassungswidrig verboten worden.« Es gab einen Krach, der den Raum erbeben und das Licht flackern ließ. Yamasaki schaute über die Schulter nach hinten und sah Skinner vorgebeugt und mit halb angezogenen Knien am Boden sitzen. »Da ist 'n Zwanziger-Bolzenschneider drin«, sagte der alte Mann und deutete mit dem linken Fuß auf einen zerbeulten, von Rost zernarbten grünen Werkzeugkasten. »Damit wird's gehen, wenn ich ihn rauskriege.« Yamasaki beobachtete, wie er seine Zehen durch die Löcher in den zerrissenen grauen Socken zu schieben begann. »Weiß nicht genau, ob ich mit denen noch was ausrichten kann, wenn ich das Ding erst mal ...« Er hielt inne. Sah Yamasaki an.
    »Hab 'ne bessere Idee. Wird dir aber nicht gefallen.«
    »Skinner-san?«
    »Sieh dir mal die Stütze an.«
    Verfärbte Kleckse von Schweißelektroden hielten
    das Ding zusammen, aber es sah durchaus stabil aus. Er zählte die nicht zueinander passenden Köpfe von neun Schrauben. Die diagonale Strebe selbst schien aus dünnen Unterlegscheiben zu bestehen, die auf einem rostigen Draht aufgezogen waren.
    243
    »Die hab ich gebaut«, sagte Skinner. »Sind drei Teile vom Blatt einer Fabriksäge. Hab die Zähne nicht abgeschliffen. Sind oben dran.«
    Yamasakis Fingerspitzen fuhren über verborgene
    Unebenheiten.
    »Ist 'n Versuch wert, Scooter. War aber völlig
    stumpf, das Ding. Deshalb hab ich's dafür benutzt.«
    »Ich säge Kunststoff?« Er hob seine Handgelenke.
    »Warte noch. Dieses verrückte Zeug mag's gar nicht, wenn man dran rumsägt. Du mußt schnell durchkommen, sonst zieht es sich bis auf den Knochen zusammen. Warte, hab ich gesagt ...«
    Yamasaki erstarrte. Er schaute nach hinten.
    »Du bist zu nah am Mittelpunkt. Wenn du's da
    durchsägst, hast du 'nen Ring um jedes Handgelenk, und die Scheißdinger werden trotzdem enger. Du mußt so dicht an einer Seite wie möglich durch, dann kommst du her und schneidest das andere Teil mit dem Bolzenschneider durch, bevor es dich fertigmacht. Ich werd versuchen, den hier aufzukriegen ...« Skinner stieß den Kasten mit den Zehen an. Er klapperte.
    Yamasaki ging mit dem Gesicht dicht an die rote
    Fessel heran. Sie hatte einen schwachen medizinischen Geruch. Er holte Luft, biß die Zähne zusammen und sägte wie wild mit den Handgelenken. Das Ding begann sich zusammenzuziehen. Eisenbänder, ein glühender, unerträglicher Schmerz. Er erinnerte sich an Loveless'
    Hand um sein Handgelenk.
    244
    »Mach schon«, sagte

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