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Virtuelles Licht

Virtuelles Licht

Titel: Virtuelles Licht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Gibson
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Liebhaberstück war. Es waren noch die altmodischen Dinger aus geprägtem Metall, die nicht von innen leuchteten.
    Ging ziemlich rauh zu in diesem Teil von Tampa, wo die Straßenschilder alle wie Schweizer Käse aussahen, weil sie als Zielscheiben für Schießübungen benutzt wurden oder weil jemand bei Nacht die Würgebohrung seiner Schrotflinte an ihnen demonstrieren mußte. Und es gab in der Gegend massenweise Schrotflinten, die demonstriert werden mußten; im Fenstergestell von jedem Pickup und Geländewagen, und dazu kamen meistens noch ein paar große alte Hunde. Anfangs hackte Claudia ziemlich auf Rydell rum wegen dieser 269
    Florida-Jungs mit ihren Baseballmützen, die mit ihren Knarren und Hunden durch die Gegend fuhren. Rydell erklärte ihr, das habe nichts mit ihm zu tun, er käme aus Knoxville, und in Knoxville führen die Leute nicht rum und demonstrierten ihre Knarren. Dort schossen sie auch keine Löcher in Straßenschilder, jedenfalls nicht, wenn das Department es verhindern konnte. Aber Claudia gehörte zu den Menschen, die dachten, südlich von Washington sei alles gleich, vielleicht tat sie auch nur so, um ihn ein bißchen zu triezen.
    Doch nachts roch es nach Salz und Magnolien und
    Sumpf, und sie fuhren mit diesem Lincoln rum, hatten die Fenster runtergekurbelt und hörten Musik. Wenn es dunkel wurde, konnte man die Lichter auf den Schiffen und den großen Lastkähnen beobachten, die wie die langsamsten UFOs der Welt vorbeibrummten.
    Manchmal legten sie vielleicht auch einen schnellen, lustlosen Fick auf der Rückbank ein, aber Claudia sagte, in Florida käme man dabei einfach zu sehr ins Schwitzen, und Rydell stimmte ihr gewöhnlich zu. Es lag einfach daran, daß sie beide hier unten waren, daß sie allein waren und daß es sonst nicht viel zu tun gab.
    Eines Nachts hörten sie einen Countrysender aus
    Georgia, und da brachten sie ›Me and Jesus‘ll Whup Your Heathen Ass‹*, diese knallharte Pentecost-Metal-Nummer über Abtreibung und Ayatollahs und so was.
    Claudia hatte den Song noch nie gehört und hätte sich vor Lachen fast in die Hose gemacht. Sie konnte es 270
    einfach nicht glauben. Als sie sich wieder einigermaßen beruhigt und sich die Tränen aus den Augen gewischt hatte, wollte sie von Rydell wissen, warum er denn überhaupt Polizist werden wollte. Und er hatte sich dabei irgendwie unbehaglich gefühlt, weil es so war, als ob sie sein Studium an der Akademie ebenfalls komisch fände, so komisch wie diesen dämlichen Song. Aber auch deshalb, weil er darüber eigentlich noch nicht sonderlich viel nachgedacht hatte.
     
    * Etwa ›Jesus und ich werden dir deinen
    Heidenarsch versohlen‹. — Anm. d. Übers.
     
    In Wahrheit hatte es wahrscheinlich eine Menge
    damit zu tun, daß er und sein Vater sich immer Cops in Schwierigkeiten angeschaut hatten, weil einem diese Sendung ernsthaft Respekt einflößte. Man bekam zu sehen, mit was für Problemen sich die Polizei rumschlagen mußte. Nicht bloß mit bewaffneten Schleimscheißern, die voll auf Dope waren, sondern auch mit den Anwälten dieser Schleimscheißer und den verdammten Gerichten und allem. Aber wenn er ihr erklärte, es sei wegen einer Fernsehsendung, dann würde sie darüber auch bloß lachen, das wußte er.
    Deshalb dachte er eine Weile nach und erzählte ihr, der Grund sei, daß ihm der Gedanke gefalle, Menschen helfen zu können, die wirklich in Schwierigkeiten seien.
    Als er das gesagt hatte, sah sie ihn bloß an.
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    »Berry«, sagte sie, »das ist dein voller Ernst, nicht?«
    »Sicher«, erwiderte er. »Glaub schon.«
    »Aber Berry, wenn du 'n Cop bist, werden die Leute dich einfach anlügen. Die werden dich als ihren Feind betrachten. Und sie werden überhaupt nur dann mit dir reden wollen, wenn sie in Schwierigkeiten sind.«
    Während er fuhr, warf er ihr einen Seitenblick zu.
    »Wieso weißt du eigentlich so viel darüber?«
    »Weil es das ist, was mein Vater macht«, sagte sie.
    Ende des Gesprächs. Und sie brachte das Thema nie wieder aufs Tapet.
    Aber während seiner Zeit bei IntenSecure, als er
    Gunhead fuhr, hatte er daran gedacht, denn das war eigentlich ein Polizistenjob, nur daß er eben kein Polizist war. Die Leute, denen man helfen sollte, machten sich meistens nicht mal die Mühe, einen anzulügen, weil sie es waren, die die Rechnung bezahlten.
    Und hier war er nun, auf dieser Brücke, und kroch unter einem Obststand hervor, um dem Mädchen zu folgen, das Warbaby und Freddie zufolge — denen
    Rydell

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