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Virtuelles Licht

Virtuelles Licht

Titel: Virtuelles Licht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Gibson
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drin, drückt auf ein paar Knöpfe, schickt 'n getürkten Anruf durch und knüpft dir die Kohle ab. So ist Eddie.« Er machte ein Bier auf und stellte es neben das andere.
    Rydell drehte sich wieder zu der Japanerin um. Sie hatte sich nicht bewegt. »Bin grade aus dem Regen reingekommen«, sagte er, das einzige, was ihm einfiel.
    »Guter Abend dafür«, erwiderte der Barkeeper.
    »Sag mal ... die Lady da oben ...«
    »Das ist Josies Tänzerin«, erklärte der Barkeeper.
    »Schau hin. Sie läßt sie gleich tanzen, sobald ein Song kommt, den sie mag.«
    »Josie?«
    Der Barkeeper zeigte hin. Rydell schaute in die
    Richtung, in die er zeigte, und sah eine sehr dicke Frau in einem Rollstuhl, deren Haar die Farbe und Beschaffenheit von grober Stahlwolle hatte. Sie trug eine brandneue blaue Jeans-Latzhose und ein übergroßes weißes Sweatshirt, und ihre Hände steckten in einer Art glatten grauen Plastikmuff auf ihrem Schoß. Ihre Augen waren geschlossen, ihr Gesicht ausdruckslos. Er hätte nicht mit Sicherheit sagen können, ob sie nicht schlief.
    279
    »Ein Hologramm?« Die Japanerin hatte sich
    überhaupt nicht bewegt. Rydell erinnerte sich daran, was er in jener Nacht gesehen hatte. Der Hörner-Kopfputz aus Silber. Ihr Schamhaar, das wie ein Ausrufezeichen rasiert war. Die hier hatte keins von beidem, aber sie war es. Sie war es.
    »Josie projiziert ununterbrochen«, sagte der
    Barkeeper, als handle es sich um etwas, wogegen man nichts machen konnte.
    »Mit dem Ding auf ihrem Schoß?«
    »Das ist das Interface«, erklärte der Barkeeper. »Der Projektor, der ist dort.« Er zeigte hin. »Auf dem NEC-Schild da drüben.«
    Rydell sah einen kleinen schwarzen Apparat, der auf dem betagten Leuchtschild befestigt war. Er hatte eine gewisse Ähnlichkeit mit einem alten Fotoapparat. Er wußte nicht, was NEC war, ein Bier oder was. Die ganze Wand war von diesen Schildern bedeckt, alles verschiedene Marken, und als er jetzt ein paar von den Namen erkannte, kam er zu dem Schluß, daß es um Werbung für alte Elektronikfirmen ging.
    Er schaute zu dem Apparat rüber, dann wieder zu
    der fetten Frau im Rollstuhl, und wurde traurig. Und wütend. Als hätte er was verloren. »Dabei weiß ich nicht mal, wofür ich's eigentlich gehalten habe«, murmelte er vor sich hin.
    »Fällt jeder drauf rein«, sagte der Barkeeper.
    280
    Vor seinem geistigen Auge sah Rydell, wie jemand
    dort draußen an dieser Talstraße saß und auf Autos wartete. So wie damals, als er mit seinen Freunden unter den Büschen in der Jefferson Street gelegen und den Leuten Dosen unter die Reifen geworfen hatte. Hörte sich an, als ob eine Radkappe abgefallen wäre. Dann konnte man zusehen, wie sie ausstiegen und nachschauten und den Kopf schüttelten. Was er gesehen hatte, war also nur eine Version davon gewesen, jemand, der mit einem teuren Spielzeug gespielt hatte.
    »Scheiße«, sagte er und konzentrierte sich darauf, Chevette Washington in der Menge ausfindig zu machen.
    Jetzt war es nicht mehr der Geruch von Bier oder
    Rauch, der ihm in die Nase stieg, sondern eher der von nassen Haaren und Klamotten und einfach von Körpern.
    Und da war sie, mit ihren beiden Freunden; sie hockten an einem kleinen runden Tisch in einer Ecke zusammen.
    Die Kapuze des Sweatshirts war jetzt unten, und Rydell sah einen weißen Stoppelkopf mit der Tätowierung einer Fledermaus oder eines Vogels an der Seite, dort, wo sie nicht mehr zu sehen sein würde, wenn die Haare nachwuchsen. Es war eine Tätowierung, die jemand mit der Hand gemacht hatte, nicht so eine, wie man sie an einem computergesteuerten Tisch bekam. Glatzkopf hatte im Profil ein hartes kleines Gesicht, und er schwieg.
    Chevette Washington erzählte dem anderen irgendwas, und sie sah nicht glücklich aus.
    281
    Dann änderte sich die Musik, die Drums setzten ein, als ob es Millionen wären, eine gestaffelte Formation, die sich irgendwie bis hinter die Wände erstreckte, und seltsame Wogen statischen Rauschens rollten auf ihnen herein, ebbten ab und kamen von neuem heran, dazu Frauenstimmen, die wie Vögel kreischten, und nichts davon war natürlich; die Stimmen sausten mit dem Dopplereffekt von Sirenen auf einem Highway vorbei, und wenn man genau hinhörte, waren die Drums aus kleinen Soundschnipseln zusammengesetzt, die gar nicht von Drums stammten.
    Die Japanerin — das Hologramm, rief Rydell sich ins Gedächtnis — hob die Arme und begann zu tanzen, eine Art Shuffle mit schlangelnden Bewegungen, nicht zum Rhythmus der

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