Virtuelles Licht
belästigte und ihr auf den Geist ging. Grober Unfug, nur daß sich dann herausgestellt hatte, daß ihre Beute wertvoll war.
Aus ihrer Beschreibung wußte er jedoch, daß es sich bei ihrem Arschloch im Morrisey um den gleichen handelte, der das kubanische Halstuch verpaßt
bekommen hatte, diesen in Deutschland geborenen
Costaricaner, der vielleicht keins von beidem war, den Star von Warbabys nicht jugendfreiem Fax, den Mann, über den Swobodow und Orlowsky Ermittlungen angestellt hatten. Falls sie das getan hatten.
»Scheiße«, sagte er mitten in etwas hinein, das sie ihm gerade zu erklären versuchte.
332
»Was?«
»Nichts. Red weiter ...«
Die Russen waren korrupt, und er wußte es. Sie
waren von der Mordkommission, sie waren korrupt,
und er würde Dollars gegen Donuts setzen, daß sie nicht mal für den Fall zuständig waren. Sie konnten Warbaby die Türen zum Schauplatz des Verbrechens öffnen und den Computer ihrer Abteilung anzapfen, aber alles andere war nur Show gewesen, für ihn, Rydell, die angeheuerte Hilfskraft. Und was hatte Freddie noch gleich über DatAmerica und IntenSecure gesagt — daß die im Grunde ein und dasselbe waren?
Chevette Washington war jedoch mittlerweile ganz
und gar vom Schwung ihrer eigenen Erzählung
mitgerissen worden, wie Leute ja manchmal einfach alles rauslassen, wenn sie erst mal zu reden anfangen, und sie erzählte gerade, daß Lowell — der mit den Haaren, nicht der Skinhead, und der war eine Zeitlang tatsächlich so was wie ihr Lover gewesen —, ein Typ sei, der mit Computern allerlei hinkriegen könne (du weißt schon), wenn man Geld hätte, und daß ihr das irgendwie Angst mache, weil er immer über die Cops redete und damit prahlte, daß er sich wegen denen keine Sorgen zu machen brauchte.
Rydell nickte und blätterte automatisch ein paar
weitere Tätowierungsbilder durch — eine Frau mit pinkfarbenen Nelken, die irgendwie ihrer Bikini-Linie folgten —, aber in Wirklichkeit horchte er auf etwas, 333
das ihm im Kopf herumging. Hernandez war
IntenSecure, das Morrisey war IntenSecure, Warbaby war IntenSecure, Freddie hatte gesagt, DatAmerica und IntenSecure seien praktisch dasselbe ...
»... Sehnsucht ...«
Rydell zwinkerte. Ein dürrer Knabe mit einem
traurigen J. D. Shapely auf der Brust. Aber wer würde nicht traurig dreinschauen, wenn ihm Brusthaare aus den Augen wüchsen. »Was?«
»Die Republik. Republik der Sehnsucht.«
»Und das wäre?«
»Der Grund, warum Lowell meint, daß ihm die Cops
nie auf die Füße treten werden, aber ich hab ihm gesagt, daß er nur Scheiße im Kopf hat.«
»Hacker«, erklärte Rydell.
»Du hast mir überhaupt nicht zugehört.«
»Nein«, sagte Rydell, »nein, das ist nicht wahr.
Sehnsucht. Die Republik. Laß die hier noch mal
durchlaufen, okay?«
Sie nahm die Fernbedienung und klickte sich durch einen rasierten Schädel mit einer Sonne obendrauf und Planeten, deren Kreisbahnen bis zum oberen Rand der Ohren gingen, eine Hand mit einem schreienden Mund auf der Handfläche und Füße, die mit blaugrünen Schuppen bedeckt waren. »Ich hab gerade gesagt«, fuhr sie fort, »daß Lowell viel dummes Zeug darüber quatscht, welche Verbindungen er zu dieser Republik des Schicksals hat, und daß die mit Computern alles 334
mögliche deichseln können, so daß jeder, der sich mit ihm anlegt, eins aufs Dach kriegt.«
»Was du nicht sagst«, meinte Rydell. »Hast du diese Typen schon mal gesehen?«
»Die sieht man nicht«, antwortete sie, »jedenfalls nicht persönlich. Man redet mit ihnen, am Telefon.
Oder mit 'ner Telebrille, und das ist das Schärfste.«
»Wieso?«
»Weil sie wie Hummer und so 'n Scheiß aussehen.
Oder wie Fernsehstars. Wie alles mögliche. Aber ich weiß gar nicht, warum ich dir das erzähle.«
»Weil ich sonst einpenne, und wie entscheiden wir dann, ob wir uns die Schuppenfüße oder die Nelken zwischen den Beinen machen lassen sollen?«
»Jetzt bist du dran«, sagte sie und saß einfach da, bis er zu reden anfing.
Er erzählte ihr, daß er aus Knoxville sei und die Akademie besucht hätte, daß er immer Cops in Schwierigkeiten gesehen hätte und — als er Cop gewesen und in Schwierigkeiten geraten sei — beinahe in die Sendung gekommen wäre. Daß sie ihn nach Los Angeles verfrachtet hätten, weil sie sich von den erwachsenen Überlebenden des Satanismus nicht den Schwung rauben lassen wollten, daß dann jedoch die Pooky-Bear-Morde dazwischengekommen wären und sie irgendwie das
Weitere Kostenlose Bücher