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Virtuelles Licht

Virtuelles Licht

Titel: Virtuelles Licht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Gibson
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Rydells Koffer.
    »Schon okay«, beruhigte sie ihn, »er kennt Lowell.
    Ist auch 'n Typ von 'land drüben.«
    »Ihr Brückenleute«, sagte der Fette, als ob er die Brückenleute mögen würde. »Dieses Unwetter war einfach schrecklich, was? Hoffentlich hat's bei euch nicht so viel Schaden angerichtet ... Letzten Monat hatten wir hier einen Kunden, der eine Cibachrome-325
    Panoramaaufnahme mitbrachte, die er sich auf den
    Rücken machen lassen wollte. Euren ganzen
    Brückenbogen mit allem drauf. Tolle Aufnahme, aber er wollte sie genau in der gleichen Größe, und dafür war er einfach nicht breit genug ...« Er hob den Blick und sah Rydell an. »Bei deinem Freund hier wär's gegangen ...«
    »Könnte er sie nicht kriegen?« fragte sie, und Rydell fiel dieser Instinkt auf, die Leute reden zu lassen, um den Kontakt mit ihnen aufrechtzuerhalten.
    »Wir von Colored People bieten den kompletten
    Service«, erklärte der Fette. »Lloyd hat sie in eine Graphikmaschine eingegeben, sie um dreißig Grad gedreht und die Perspektive erhöht, und jetzt sieht's grandios aus ... Also, bist du an Schnappschüssen für dich selbst interessiert, oder soll's was für deinen großen Freund hier sein?«
    »Ahm ... eigentlich suchen wir was für uns beide«, antwortete Chevette. »Was zusammenpaßt, verstehst du?«
    Der Fette lächelte. »Das ist aber romantisch ...«
    Rydell sah sie an.
    »Hier entlang.« Der Fette klingelte irgendwie beim Gehen, und Rydell zuckte zusammen. »Kann ich euch komplementären Tee bringen?«
    »Kaffee?« fragte Rydell hoffnungsvoll.
    »Tut mir leid«, sagte der Fette, »aber Butch ist um zwölf gegangen, und ich kenn mich mit der Maschine nicht aus. Aber ich kann euch guten Tee bringen.«
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    »Ja«, sagte Chevette und schubste Rydell mit kleinen Ellbogenstößen weiter, »Tee.«
    Der Fette führte sie durch einen Flur und in einen kleinen Raum mit ein paar Wandbildschirmen und einem Ledersofa. »Ich hol euch eben euren Tee«, sagte er und schlurfte klingelnd davon.
    »Warum hast du das mit den passenden
    Tätowierungen gesagt?« Rydell sah sich in dem Raum um. Sauber. Leere Wände. Weiches Licht, aber keine Schatten.
    »Weil er uns allein lassen wird, während wir uns hier eine aussuchen, und weil wir so lange brauchen werden, um uns zu entscheiden.«
    Rydell stellte seinen Samsonite ab und setzte sich aufs Sofa. »Dann können wir also hierbleiben?«
    »Ja, solange wir Schnappschüsse aufrufen.«
    »Was für Schnappschüsse?«
    Sie nahm eine kleine Fernbedienung zur Hand,
    schaltete einen der Wandbildschirme ein und begann, Menüs durchzuklicken. Der Fette kam mit zwei großen, groben Bechern voll dampfendem Tee auf einen kleinen Tablett zurück. »Für dich hab ich Grünen gemacht«, sagte er zu Chevette Washington, »und für dich Mormonentee«, wandte er sich an Rydell, »weil du doch Kaffee haben wolltest ...«
    »Äh ... danke«, sagte Rydell und nahm den Becher, der ihm hingehalten wurde.
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    »Jetzt laßt euch ruhig Zeit, ihr beiden«, sagte der Fette, »und wenn ihr was möchtet, ruft mich einfach.« Er ging hinaus, das Tablett unter den Arm geklemmt, und machte die Tür hinter sich zu.
    »Mormonentee?« Rydell schnüffelte daran. Er roch
    eigentlich nach gar nichts.
    »Die dürfen doch keinen Kaffee trinken. In dem Tee ist Ephedrin drin.«
    »Da sind Drogen drin?«
    »Er ist aus einer Pflanze gemacht, die was enthält, was einen wach hält. Wie Kaffee.«
    Rydell entschied, daß er jetzt sowieso noch zu heiß war, um ihn zu trinken. Er stellte ihn neben dem Sofa auf den Boden. Das Mädchen auf dem Wandbildschirm hatte einen ähnlichen Drachen wie sein Onkel, aber auf der linken Hüfte. Und einen winzig kleinen silbernen Ring im oberen Rand des Bauchnabels. Chevette Washington klickte zu einem dicken, verschwitzten Biker-Arm, von dem ihnen das Gesicht von Präsidentin Millbank in mehreren Grauschattierungen entgegenblickte.
    Rydell schlüpfte aus seiner feuchten Jacke und
    bemerkte dabei die aufgerissene Schulter, aus der die billige weiße Füllung hervorquoll. Er warf sie hinter das Sofa. »Hast du irgendwelche Tätowierungen?« fragte er.
    »Nein«, sagte sie.
    »Wie kommt's dann, daß du dich hier so gut
    auskennst?«
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    »Lowell«, sagte sie, während sie ein halbes Dutzend weiterer Bilder durchlaufen ließ. »Der hat 'nen Giger.«
    »'nen ›Gigger‹?« Rydell machte seinen Samsonite auf, holte ein paar Socken heraus und begann, seine Kampfstiefel aufzubinden.
    »'n Maler. Neunzehntes

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