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Virtuosity - Liebe um jeden Preis

Virtuosity - Liebe um jeden Preis

Titel: Virtuosity - Liebe um jeden Preis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jessica Martinez
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zitterte. Ich hätte einen Pullover anstelle der Geige mitnehmen sollen, als ich mich aus dem Haus geschlichen hatte, aber ich hatte einfach nicht gut genug nachgedacht. Warum hatte ich die Geige überhaupt dabei? Wahrscheinlich aus Gewohnheit, denn ich ging nie ohne sie weg. Aber jetzt war der Kasten bloß eine Sitzgelegenheit am Strand oder unnützer Ballast, den ich auf dem Rücken mit mir herumschleppen musste. Eine Last. Ich wollte nie wieder auf ihr spielen. Nicht, dass es überhaupt ins Gewicht fiele. Meine Karriere war jetzt sowieso im Eimer.
    Ich hatte gedacht, es würde mir besser gehen, wenn ich die E-Mail erst einmal abgeschickt hatte, aber das stimmte nicht. Ich fühlte gar nichts. Das lag wahrscheinlich an den Inderal-Tabletten, die ich genommen hatte.
    Ein Windstoß wirbelte Sand auf, der gegen mich geschleudert wurde. Es war Zeit zu gehen, aber ich wusste nicht wohin. Ich wandte mich um und sah auf die Wolkenkratzer am nördlichen Ende der Nobelmeile Chicagos. Das Drake. Ich fragte mich, ob Jeremy wohl auf seinem Zimmer war.

Kapitel 20
    Das Balkongeländer fühlte sich kühl an, als ich meine Wange dagegen presste. Der Verkehr, der zehn Etagen unter mir über den Lake Shore Drive schnurrte, schien meilenweit entfernt. Alles um mich herum war vollkommen still: der schwarze sternenlose Himmel über dem Lake Michigan, mein nackter Arm, den ich zwischen den Metallstäben hindurchgesteckt hatte, und das gedeckte Orange der Geigenschnecke, die aus meiner Faust emporragte.
    Es wäre so leicht, meine Hand zu öffnen. Ich könnte einfach einen Finger nach dem anderen lockern. Wenn sich der letzte löste, würde die Geige den Nachthimmel wie eine Klinge zerteilen und in die Tiefe stürzen. Dann wäre alles vorüber.
    Ich atmete aus und fühlte, wie mein Körper auf den Betonboden sank. Diana würde stinksauer sein wegen der Abendrobe. Ihre persönliche Damenschneiderin hatte das hauchdünne Chiffon gedreht, gefaltet und plissiert, bis es wie ein Wasserfall aussah, fließende Kaskaden in drei Blautönen. Jetzt lag es zerknittert unter mir und nahm wahrscheinlich gerade Dreck, Fett, Zigarettenasche und alles andere auf, was sich so auf Hotelbalkonen ansammelte.
    So ein Quatsch! Das Abendkleid war nun wirklich Dianas geringste Sorge.
    Jeremy war nicht auf seinem Zimmer gewesen, aber es war mir gelungen, eines der Zimmermädchen davon zu überzeugen, dass mir die Tür zugefallen war.
    Ich zitterte. Der Wind fuhr um mich herum, hob meine Haare, schleuderte sie gegen meine Wange und meinen freien Rücken. Die Haarspangen und -klammern waren schon lange nicht mehrda – die hatte ich als Erstes aus meiner Frisur gezogen, nachdem ich das Hotelzimmer betreten hatte. Dann hatte ich die hoch­hackigen Schuhe abgestreift, die Strumpfhose heruntergerollt und die Ohrringe abgenommen. Aber nichts half. Das war vor einer Stunde gewesen, doch die Enge war immer noch überall, in meiner Brust, meinem Kopf, meinen Waden, meinen Fingern.
    Also war ich mit meiner Geige auf den Balkon gegangen.
    Schwer zu sagen, wann ich den Einfall gehabt hatte – ob ich es schon gewusst hatte, als ich in Jeremys Zimmer eingebrochen war, oder ob ich es mir erst vorgestellt hatte, als ich den Balkon mit meinem Instrument in der Hand betreten hatte. Vielleicht noch nicht einmal dann, vielleicht noch nicht einmal, als ich schon flach auf dem Balkonboden lag und die Violine über die Kante baumeln ließ.
    1,2 Millionen Dollar. Diese Summe war nur schwer nachvollziehbar. Schwer fühlbar . Ich ließ die Geige baumeln, nur ein wenig, und schloss die Augen. Mord . Als sich dieses Wort in meine Gedanken schlich, verwarf ich es sofort. Das war lächerlich. Schließlich war die Geige kein Baby oder ein Tier. Sie lebte nicht.
    Das wirklich zu glauben wäre leichter gewesen, wenn ich nicht gespürt hätte, wie sie atmete und sang, während ich auf ihr spielte.
    Ich öffnete die Augen. Meine Finger, hager und weiß, zitterten. Die Wirkung der Pillen ließ nach. Die Musik war verklungen.
    Ich ließ los, doch in demselben Moment, in dem ich spürte, wie das Holz aus meiner Hand zu rutschen begann, hörte ich, wie Jeremy brüllte: »Nein, Carmen!« Ich blickte auf und sah, wie er sich direkt über meinem Kopf gegen das Geländer warf. Sein Arm schoss durch die Lücke zwischen den Streben, seine Finger umschlossen meine und die Schnecke. Es dauerte einen Augenblick, bis ich das Gewicht seines Körpers spürte, das auf mir lastete, und den Schmerz meiner

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