Virulent
Chauncey.
Niemand kann mir sagen, was ich tun soll. Nie mehr.
Chelsea wartete auf eine Antwort, doch es kam keine. Stattdessen stürmten wie eine rasende Abfolge von Blitzen hunderte Bilder auf ihr Gehirn ein. Bilder, auf denen der Schwarze Mann Wirtskörper verbrannte, sie strangulierte, sie schlug, sie umbrachte.
Chauncey, hör auf.
Sie fing an zu zittern, doch es kamen noch mehr Bilder. Bilder von Soldaten, die die Püppchen erschossen, sie erstachen, auf ihnen herumtrampelten. Die hübschen Körper der Püppchen wurden zerschmettert, und in langen, dicken Strahlen spritzte ein purpurnes Etwas aus ihnen heraus.
Chauncey, nein!
Sie konnte nicht atmen, und doch kamen immer mehr Bilder. Bilder von Toren, schönen Toren, die explodierten, sich auflösten, in winzige Teile zerfielen, die zu schwarzem Schleim verrotteten. Wieder spürte sie den Druck auf ihrer Blase …
Okay, ich werde keinen Kontakt zu ihm aufnehmen, ich verspreche es!
Die Bilder hörten auf.
Chelsea holte tief Luft. Der Schwarze Mann war der Tod. Der echte Tod, nicht wie der Tod im Kino.
Jetzt verstehst du es. Wenn du mit ihm Verbindung aufnimmst, bringst du den Tod über deine Leute.
Sie fuhr mit der Hand hinab bis zu der Stelle, die sonst nur noch von ihrem Badeanzug bedeckt wurde. Die Vorderseite ihrer Hose war ein wenig feucht. Chauncey hatte das ausgelöst, aber ihn traf keine Schuld. Er war nicht derjenige, der gemordet, verbrannt und zerstört hatte. Nicht wegen ihm hatte sie sich zum zweiten Mal in die Hose gemacht.
Der Schwarze Mann war schuld daran.
Und früher oder später würde er dafür bezahlen.
86
Nein bedeutet nein
Eine weitere Nacht in den Ruinen, die der Jewell-Clan hinterlassen hatte. Es war arschkalt. Wieder einmal. Dew hasste die Kälte. Er, Margaret und Perry standen dort, wo sich einst die Küche der Jewells befunden hatte. Ein leuchtender Halbmond überzog den Schnee mit einem silbernen Licht. Gut zwei Zentimeter Neuschnee bedeckten bereits den größten Teil der verbrannten
Trümmer, eine weiße Schicht auf schwarz verkohlten Holzblöcken und verbogenen Küchengeräten.
Sie standen hier draußen in der Kälte, weil sich Perry immer noch weigerte, in den Trailer zu gehen. Er würde nicht in die Nähe der Nestlinge kommen.
»Perry, wir haben jeden von ihnen in einen einzelnen Käfig gesteckt«, sagte Margaret. »Sie können dich nicht angreifen. «
Sie hatte sich verändert. Dew konnte es an ihrer Stimme hören. Jetzt war so viel Wut in ihr, und sie war so anders als die Margaret Montoya, die er vor ein paar Monaten zum ersten Mal getroffen hatte. Nach Amos’ Tod war sie am Boden zerstört gewesen, doch jetzt? Jetzt schwelte eine ungesunde Dosis Zorn in ihrer kleinen Brust.
»Es ist völlig unmöglich, dass sie aus diesen Käfigen herauskommen«, sagte sie.
»Darum … geht es nicht«, sagte Perry. Er sprach abgehackt und mühsam, als gelänge es ihm kaum, einen Satz zu beenden. Er rührte sich nicht von der Stelle, doch sein Oberkörper schwankte leicht vor und zurück.
»Perry«, sagte Dew, »du musst dich zusammenreißen.«
Perry schüttelte den Kopf. Schüttelte ihn heftig. Er sah aus wie ein schwachsinniger Hund.
»Na schön«, sagte Dew. »Irgendetwas blockiert dich, aber wenn du in der Nähe der Dreiecke bist, kannst du dann etwas hören?«
Perry nickte. »Ja. Als ich da drin stand, konnte ich sie hören. Ich konnte das Mädchen hören.«
»Genau das ist der Punkt«, sagte Dew. »Wir wissen nicht, wo das nächste Tor ist, Perry. Die Jewells müssen dort sein. Wenn wir sie finden, finden wir das Tor. Chelsea hat mit dir
gesprochen. Du musst wieder da reingehen und herausfinden, ob sie noch einmal Kontakt mit dir aufnimmt.«
»Du musst es tun«, sagte Margaret. Ihre Stimme klang gepresst und kalt. »Wir werden nicht zulassen, dass diese Frau umsonst gestorben ist.«
Wieder schüttelte Perry den Kopf. Seine Augen waren noch immer weit aufgerissen, und seine Nasenflügel zitterten mit jedem Atemzug.
»Perry«, sagte Margaret, »du hast dich durch so vieles hindurchgekämpft. Sag mir, warum du vor diesem kleinen Mädchen Angst hast.«
»Sie ist kein kleines Mädchen mehr«, sagte Perry. »Ganz im Gegenteil. Sie bringt … sie bringt die Leute dazu, dass sie bestimmte Dinge tun.«
»Wir sind bei dir, mein Junge«, sagte Dew. »Wir bleiben an deiner Seite, okay?«
»Die Antwort lautet nein, Dew«, sagte Perry. »Bitte mich nicht mehr, dass ich da wieder reingehe. Du musst wirklich
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