Virulent
Minuten.
Nach zwölf Minuten Flugzeit startete Lindeman eine ASM-157
Anti-Satelliten-Rakete. Seine Geschwindigkeit von Mach 10 war nicht einmal halb so schnell wie die der ASM-157, die mit maximal 22,7 Mach flog – mit fünfzehntausend Meilen pro Stunde.
Flugzeuge kommen normalerweise nicht einmal in die Nähe von Mach 5, von Mach 10 ganz zu schweigen. Deshalb würde jeder, der den Himmel nach ungewöhnlichen Flugmustern absuchte, die Wespe bemerken. Es war schwer, so etwas zu übersehen.
Und genau das war der springende Punkt.
Es war vollkommen unmöglich, dass der Orbiter jedes Flugzeug in Nordamerika überwachte. Er konnte nicht einmal alle Militärflugzeuge in diesem Gebiet im Auge behalten – es war einfach viel zu viel Verkehr, um den er sich hätte kümmern müssen. Er versuchte jedoch, bestimmte Militärbasen durchgängig zu überwachen. So kam es, dass der Orbiter den Start der HTV-6Xb in Groom Lake registrierte und ein Unterprogramm einrichtete, um die Flugrichtung zu beobachten.
Als die HTV-6Xb einen Bogen flog und auf Mach 1 beschleunigte, verdiente das noch nicht die Hauptaufmerksamkeit des Orbiters. Bei Mach 2 änderte der Orbiter den Status des beobachteten Objekts und definierte es als mögliche Bedrohung. Als das Flugzeug Mach 5 erreichte und sich South Bend in einer geraden Flugbahn näherte, wusste der Orbiter, dass der Angriff begonnen hatte. Als der Jet die Rakete abschoss, war er nur noch 350 Meilen entfernt.
350 Meilen zurückzulegen – die Entfernung zwischen San Francisco und Los Angeles – dauert bei Mach 22 weniger als anderthalb Minuten.
Der Orbiter ging seine internen Protokolle durch, um mit
Hilfe des Entscheidungsbaums eine Gegenreaktion festzulegen. Während er das tat, entdeckte er, dass sich eine weitere Bedrohung näherte.
Militäringenieure hatten den NFIRE-Satelliten aus zwei Gründen gebaut. Erstens hatte er die schwierige Aufgabe, Interkontinentalraketen, ICBMs, aufzuspüren. Zweitens – und diese Aufgabe war sogar noch komplexer – sollte er diese Raketen vom Himmel schießen.
Der NFIRE befand sich in einer Umlaufbahn von 240 Meilen Höhe. Seine Zielvorrichtung war auf den höchsten Punkt der Flugbahn einer solchen Rakete gerichtet, und dieser befand sich etwa sechzig Meilen über der Erde. Derjenige Teil des NFIRE, der die ICBM zerstören sollte, wurde als Kill Vehicle bezeichnet. Es war eine kleine Rakete, die beim Anflug auf ihr Ziel ein Hochgeschwindigkeitsspray aus dichten Schrapnells abfeuerte. Einfach ausgedrückt war das Kill Vehicle eine 560 Millionen Dollar teure, außerhalb der Atmosphäre eingesetzte High-Tech-Handgranate.
Einge Senatoren waren allerdings dagegen, das Kill Vehicle in den NFIRE einzubauen. So eine Aktion würde eine neue Runde des Wettrüstens in Gang bringen, sagten sie; damit begänne die Hochrüstung im All, und das sei etwas, auf das die Welt sehr gut verzichten könne.
Die Verteidiger des Projekts sagten, der Kongress bestehe aus einer Reihe kurzsichtiger, Bäume umarmender Hippies, die es verdienten, den radioaktiven Tod zu sterben, den sie zweifellos über alle friedliebenden Amerikaner bringen würden. Das sagten sie natürlich nur untereinander. Öffentlich sagten sie, dass das Kill Vehicle nur eine Reichweite von vier Meilen hatte, eine geradezu mikroskopische Distanz angesichts
der Weiten des Weltraums; dadurch sei das Kill Vehicle auch nur in der Lage, eine Rakete abzuschießen, die direkt auf den NFIRE gerichtet war. Es diente ausschließlich der Selbstverteidigung, und wie konnte daran etwas Schlechtes sein?
Den Kongress beeindruckte das nicht. Die Senatoren bestanden darauf, dass mit dem Kill Vehicle eine Grenze überschritten wäre. Um die Finanzierung zu sichern, stimmten die NASA und die MDA, die Missile Defense Agency zu, das Kill Vehicle zu entfernen und stattdessen einen Laserkommunikationsterminal zu installieren, auch bekannt unter seiner Abkürzung LCT.
Doch die Militäringenieure waren ziemlich gerissen und entwickelten in aller Stille eine Möglichkeit, gleichzeitig das Kill Vehicle und den LCT in den NFIRE einzubauen. So wurde gegenüber dem Kongress und der Öffentlichkeit behauptet, der NFIRE sei nicht mit dem Kill Vehicle ausgestattet worden.
Das war die erste Lüge.
Die zweite betraf die Reichweite von vier Meilen. Von beiden Unwahrheiten war das wohl die viel bedeutendere, denn die Zerstörungskraft des NFIRE besaß eine Reichweite von mehreren tausend Meilen. Dank den von der NASA
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