Virulent
bedauerte es sofort. Seine Hände schossen zum Kopf, und seine Handflächen bedeckten die Augen. Warum war sein Gesicht so klebrig? Das Bett roch nach abgestandenem Bier.
»Steh auf, Dawsey. Zeit für das Frühstück.«
Dew Motherfucking Phillips. Vor seiner Tür, kaum dass die Morgendämmerung anbrach. Perry setzte sich auf und sah auf den leuchtend roten Wecker auf dem Nachttischchen.
Viertel vor neun.
Gut, es dämmerte also nicht mehr. Aber es war verdammt früh, um aus dem Bett zu steigen.
»Steh auf, der Tag gehört dir, großer Junge!«, schrie Dew. »Auf geht’s. Alle warten auf dich, und mein Essen wird kalt.«
Verdammt, dass sein Kopf so schmerzen konnte.
»Verschwinde, Dew«, sagte Perry. »Es ist mein Ernst.«
Dew wollte ihn am Frühstückstisch vorführen, so dass alle auf Kosten des Freaks mal gründlich lachen konnten? Vergiss es. Perry wusste nicht, was sie da abzogen, aber er würde nicht mitspielen.
»Komm schon, Junge. Ich kann das Bier sogar noch hier draußen riechen. Badest du in diesem Zeug?«
Perry stand auf und ging ins Badezimmer. Er stellte den für Eiswürfel vorgesehen Plastikeimer in das Waschbecken und drehte den Kaltwasserhahn auf.
»Augenblick«, sagte Perry. »Ich muss mich erst anziehen.«
»Das ist die richtige Einstellung«, sagte Dew. »Und wenn du so riechst wie der Rest deines Zimmers, dann solltest du vielleicht zuerst duschen. Aber nur kurz. Ich habe nicht den ganzen Tag Zeit.«
Perry drehte den Heißwasserhahn in der Dusche auf und ließ das Wasser laufen. Er hob den inzwischen vollen Eis-Eimer aus dem Waschbecken und ging damit zur Eingangstür.
»Hey, Dew?«
»Ja?«
»Hey, ist es kalt da draußen?«
»Es ist mitten im Winter im Norden von Wisconsin«, sagte Dew. »Es ist verdammt kalt.«
In einer einzigen fließenden Bewegung öffnete Perry die Tür und schüttete das Wasser aus dem Eimer gegen Dews Brust. Er sah Dew kurz blinzeln, bevor das Wasser ihn traf, dann riss der alte Mann angesichts der Kälte und der Überraschung die Augen auf. Perry machte die Tür zu und schloss sie ab.
»Ich werde das Frühstück auslassen«, sagte Perry. »Hast du nachgeschaut, ob’s regnet?«
Bang-bang-bang.
»Mach die verdammte Tür auf, du Scheißkerl!«
Perry wollte sich gerade wieder hinlegen, als ihm einfiel, dass sein Bett völlig mit Bier durchtränkt war. Er zog die Decken herunter und warf sie auf den Boden.
»Du solltest dich besser umziehen«, rief Perry. »Wie du selbst gesagt hast: Es ist verdammt kalt.«
Bang-bang-bang.
»Mein Junge, ich werde dir den Arsch versohlen.«
Perry lachte, doch das tat noch mehr weh als zu sprechen. Er zog die Laken ab und warf sie auf die Decken, sodass nur noch die nackte Matratze übrig blieb. Es waren ein paar Bierflecken darauf, aber das würde schon gehen. Da er in seinen Kleidern eingeschlafen war, waren auch sie völlig von Bier durchnässt, also zog er sie aus, bevor er sich wieder hinlegte. Die laufende Dusche half ein wenig, Dews Rufe zu überhören. Perry schloss die Augen und wartete. Wenn Dew nicht wegging, würden ihm die Kleider auf seiner Haut gefrieren, er würde eine Lungenentzündung bekommen und sterben.
Perry würde also auf jeden Fall gewinnen.
Eine Woge der Übelkeit durchströmte ihn. Er schob den Kopf über den Bettrand und erbrach sich auf den Boden. Als ob sein Kopf nicht schon genug geschmerzt hätte. Gehörte das Erbrechen nicht zu den übelsten Schmerzen auf der Welt, wenn man einen Kater hatte? Und Perry Dawsey wusste, was Schmerzen waren. Er zog das Gesicht wieder zurück und wischte sich das Erbrochene mit der Kante der Matratze vom Mund.
Das Hämmern an der Tür hörte auf, und er schlief rasch ein.
19
Zimmerservice
Ein Klopfen an Dews Tür.
Er schauderte immer noch, als er das trockene Hemd zuknöpfte. Er hätte schnell unter die Dusche springen sollen, um sich aufzuwärmen, aber er hatte einfach nicht die Zeit – zu viel Arbeit lag vor ihm.
»Wer ist da?«
»Margaret. Ich habe Ihnen Ihr Essen gebracht.«
Dew hatte noch nichts gegessen. Er war so wütend gewesen, dass er gar nicht bemerkt hatte, wie hungrig er war. Er schob das Hemd in die Hose, schloss die letzten Knöpfe und den Reißverschluss und öffnete die Tür. Davor stand Margaret im Morgenlicht. Sie sah so gut aus wie immer, und der Blick aus ihren schwarzen Augen war zugleich freundlich und gehetzt. Letzteres war ständig der Fall und kam daher, dass sie zu viele grauenhafte Dinge in zu kurzer Zeit gesehen hatte.
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