Virus (German Edition)
der
Leiche irgendwelche Zeichen gefunden?” fragte sie schließlich. „Irgendeinen
Schriftzug oder sowas?”
Befremdet blickte
Trébor sie an und sie merkte, dass ihre Frage ihm zumindest seltsam vorkam,
wenn nicht sogar Misstrauen in ihm auslöste.
„Keine Ahnung”,
antwortete er. „Was denn für Zeichen? Hat mir niemand etwas von erzählt.”
Doch es machte für
Debbie keinen großen Unterschied. Sie musste sowieso zur Polizei, um mehr
darüber herauszufinden. Sie stand hastig auf und verabschiedete sich kurzangebunden
vom immer noch leicht konsternierten Professor Trébor.
25.
Hagen Petzold war
früh auf den Beinen. Er hatte zwar schlecht geschlafen, doch es gab viel zu tun.
Er musste Flyer drucken, um seine neue Zielgruppe anzusprechen, um die Massen,
die in Zukunft seine Kneipe füllen sollten, wissen zu lassen, dass er
existierte.
Direkt nach dem
Aufstehen hatte er sich an seinen Computer gesetzt und das wohl Rudimentärste
zusammengebastelt, was man noch als Flyer bezeichnen konnte. Er nutzte seinen
Laptop eigentlich nur fürs Surfen im Internet, war ansonsten ein ziemlicher
Computeranalphabet und deshalb stolz auf sich, dass es ihm gelungen war, sogar
die Anfahrtsskizze und das Logo in sein Word-Dokument einzufügen. Ein Freund,
der etwas mehr Ahnung von Computern hatte, hatte ihm beides mal angefertigt und
als JPEGs gegeben.
Der Text war kurz und
kam schnell auf den Punkt. Hagen hatte nicht die geringste Ahnung von Werbung,
aber sein gesunder Menschenverstand sagte ihm, dass er nichts Wichtiges
auslassen und nichts Unwichtiges einfügen sollte. Über den Text setzte er eine
Überschrift, einen Slogan fast, von dem er glaubte, er würde seine Zielgruppe
schnell und direkt ansprechen. Ein Flyer, auch das sagte ihm sein gesunder
Menschenverstand, wurde in der Regel schnell wieder weggeschmissen, wenn nicht gleich
die Überschrift den Betrachter zu fesseln vermochte.
Hagen hatte ein wenig
mit Schriftarten und -größen herumgespielt, die Abbildungen mal hierhin und mal
dahin geschoben, dann aber schnell eingesehen, dass alles gleich beschissen
aussah, weil er vom Layouten nun mal keine Ahnung hatte. Doch es war ihm auch
nicht wichtig, denn seine Zielgruppe sprang sowieso mehr auf Inhalte als auf
Äußerlichkeiten an. Mit seinem Slogan würde er sie kriegen.
Die meiste Zeit der
letzten Nacht, als er wach in seinem Bett gelegen hatte, hatte er über den Text
und den Slogan nachgedacht. Irgendwann war er damit zufrieden gewesen und hatte
zudem festgestellt, dass nicht mehr seine Aufregung, sondern das Grübeln ihn
vom Schlafen abhielt, und er hatte damit aufgehört.
Er speicherte sein
Layout, wenn man es denn so nennen durfte, auf einen USB-Stick, stand auf, nahm
noch einen letzten Schluck Kaffee und machte sich auf den Weg zum Copy-Shop.
Er entschied sich für
rotes, etwas stärkeres Papier im A5 Format. Irgendwo hatte er mal gehört,
farbige Flyer würden mehr Aufmerksamkeit erzeugen als weiße, und die paar Euro
mehr war er gerne bereit zu investieren. Eine allzu große Auflage würde er
sowieso nicht brauchen. Nach dem ersten Erfolg würde Mund-zu-Mund-Propaganda
einsetzen und seine Kneipe in Lichtgeschwindigkeit auf die Erfolgsspur
zurückführen.
Während der Drucker
seine Flyer produzierte, seine kleinen roten Tore zum Erfolg, ging er in
Gedanken noch einmal die nächsten Schritte durch. Er würde die Flyer unter
seiner Zielgruppe verteilen, anschließend eine Verstärkung für die Theke
organisieren, dann gut essen, um dem Andrang des Tages gestärkt entgegentreten
zu können, und so vorbereitet zum ersten Mal seit Monaten schon zur Mittagszeit
den ‚Dorfkrug’ öffnen.
Hagen war zufrieden
mit sich. Er konnte sich nicht erinnern, wann er das letzte Mal so optimistisch
in die Zukunft geschaut hatte.
26.
Auf der Fahrt vom
Petersdammer Strand bis zur Polizeidirektion in Rostock ging Wegmann mit Lars
alle Fakten wieder und wieder durch, doch es wollte sich einfach kein Sinn
ergeben. Jedes Mal kamen sie zu dem gleichen Ergebnis: Eine Frau war von der
Ostsee angespült worden, in die sie allerdings nie hatte gelangen können.
Die Identität der
Leiche hingegen war inzwischen bestätigt. Die biometrischen Daten aller für den
eingezäunten Bereich zugelassenen Personen waren vor dem Gipfel aufgenommen
worden, und ein Abgleich der Fingerabdrücke hatte schließlich zweifelsfrei
ergeben, dass es sich bei der Leiche um Professor Samantha Dickinson aus
England handelte.
Auch Meng Hongs
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