Virus (German Edition)
die
Lähmung nach und Wegmann begann wieder, klare Gedanken zu fassen.
„Lars, du findest
heraus, wer dieses Foto gemacht hat und die Geschichte an die Presse verkauft
hat”, sagte er schließlich mit kaum kontrollierter Wut. „Es kann sich ja nur um
einen der Wissenschaftsjournalisten handeln. Anschließend nimmst du dieses
Arschloch fest. Danach ermittelst du den Beamten, der die betreffende Person
beim Verlassen des Kongresszentrums durchsucht hat und leitest ein
Ermittlungsverfahren gegen ihn wegen grober Fahrlässigkeit im Dienst oder sowas
ein. Du findest schon einen Grund. Mach auch alles für eine vorläufige
Suspendierung fertig, dass ich das nur noch zu unterschreiben brauche. Dieser
Stümper kriegt bei der Polizei kein Bein mehr auf die Erde, das schwöre ich
dir.”
Wegmann schnaufte.
Warum hatte man den Wissenschaftsjournalisten überhaupt genehmigt, Kameras mit
ins Kongresszentrum zu bringen? Fernsehteams waren doch auch nicht erlaubt
gewesen. Natürlich hatte niemand mit so etwas rechnen können und man war davon
ausgegangen, dass es nur einen vortragenden und nicht einen brennenden
Professor zu fotografieren geben würde, aber man sah ja jetzt, was man davon
hatte. Wie hatte dieses Schwein die Bilddatei aus dem Kongresszentrum
geschmuggelt? Wie hatte es jemand wagen können, sich dem ausdrücklichen Verbot,
die Geschehnisse an die Presse weiterzuleiten, zu widersetzen?
Es war jetzt nicht
mehr wichtig. Wichtig war, das Schwein zu fassen und dafür bezahlen zu lassen.
Brunckes drohender Blick fiel Wegmann wieder ein, mit dem er ihn versehen
hatte, als er gesagt hatte: „Sie sorgen dafür, dass die Medien keinen Wind
von der Sache kriegen?”
Er war sich jetzt
ziemlich sicher, dass er mit seiner Vermutung, die er vor zwanzig Minuten
aufgestellt hatte, genau ins Schwarze getroffen hatte. Heute würde nicht sein
Tag werden.
Doch dieses Kind war
jetzt in den Brunnen gefallen, da half alles Lamentieren nicht. Es gab genug
anderes zu tun, und er würde es anpacken.
Er blickte sich um
und sah, dass der uniformierte Beamte, den er losgeschickt hatte, die Patrouillen
zu finden, mit zehn Polizisten in Kampfmontur zurückkehrte. Das mussten die
Patrouillenführer sein. Wegmann ging auf die Gruppe zu.
Es handelte sich in
der Tat um die Patrouillenführer und sie waren wenig begeistert davon,
herbeordert worden zu sein, denn ihre Nachtschicht war soeben zu Ende gegangen,
und sie freuten sich auf ihr Bett.
„Es dauert nicht
lange. Nur ein paar kurze Fragen”, beruhigte Wegmann sie. Sie waren Polizisten
und hatten ihm gefälligst zur Verfügung zu stehen, doch er spürte, dass er eher
etwas erreichen konnte, wenn er sie nicht gleich unter Druck setzte.
„Sie waren die ganze
Nacht hier auf Patrouille?” fragte er.
Die Gefragten
nickten. „Seit Mitternacht”, sagte ein großer Rothaariger schließlich. „Zehn
Patrouillen. Wir haben den kompletten Strand im eingezäunten Bereich überwacht.”
„Und…” Wegmann
zögerte. Wie konnte er nach ihrer Dienstbeflissenheit fragen, ohne sie zu
verärgern?
„Ist es theoretisch
möglich, dass jemand diesen Strand überquert hat und ins Meer gegangen ist,
ohne von ihnen bemerkt worden zu sein?” fragte er schließlich.
„Nahezu
ausgeschlossen”, gab erneut der Rothaarige zurück. Die Übrigen schienen recht
froh, dass er das Antworten übernommen hatte. „Wir bilden ein dichtes Netz. Auch
die Mitglieder der einzelnen Patrouillen sind nicht alle auf einem Haufen,
sondern verteilt. So überwachen wir den Strand lückenlos. Zudem tragen wir
Nachtsichtgeräte.”
Sein Tonfall war
sachlich und klang nicht nach einem schlechten Gewissen, nicht, als beschreibe
der Mann, wie es eigentlich sein sollte, aber nicht war. Die Intonation ließ in
der Tat den Schluss zu, dass die Patrouillen ihrer Aufgabe gewissenhaft
nachgegangen waren.
„Dann ist Ihnen auch
der Jogger heute Morgen aufgefallen?” änderte Wegmann das Thema.
„Selbstverständlich”,
antwortete der Rothaarige. „Nickels Patrouille hat ihn kontrolliert.”
„Wir haben ihn um
sechs Uhr acht überprüft”, mischte sich ein kleinerer Polizist mit breiten
Schultern ein. Wahrscheinlich Nickel. „Daraufhin haben wir über Funk an die
anderen Patrouillen durchgegeben, dass er überprüft wurde und in Ordnung ist.
So verfahren wir, damit die Leute nicht von jeder einzelnen Patrouille
belästigt werden.”
Wegmann nickte. Die
Patrouillen machten einen aufmerksamen Eindruck. Aber wie war die
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