Virus (German Edition)
würde keinen Kommentar abgeben. Und dann fragte sie
sich leicht belustigt, ob man, wenn er denn einen Kommentar abgäbe, diesen
überhaupt auf den Aufzeichnungen würde hören können, oder ob er vom Geschrei
der Reporter völlig verschluckt werden würde.
Die Aufregung
steigerte sich ins Unermessliche, als ein Kameramann, der rückwärts vor Wegmann
her schritt und diesen filmte, über sein offenes Schuhband stolperte. Weitere
Kollegen stürzten über ihn, die nachdrängende Schar ließ ein Verharren vor dem
Hindernis oder ein Ausweichen nicht zu.
Doch die stolpernden,
stürzenden Reporter schufen schließlich ein wenig Raum für Wegmann und seinen
Kollegen, um schneller vorwärts zu kommen und als sie an seinem Auto ankamen,
hatten sie Reporter nur noch hinter sich und niemanden mehr vor sich. Außer
Debbie.
Mit leichter
Genugtuung sah sie die Mischung aus Wut und Verwunderung, als er sie vor seiner
Autotür stehen sah.
„Was wollen Sie denn
schon wieder?” ranzte er sie an.
Sie hielt ihm das
Titelblatt unter die Nase.
„Wollen Sie immer
noch behaupten, es habe keine Schrift gegeben?” fragte sie. Ihre Stimme zitterte
vor all der Wut, die sich seit ihrem letzten Gespräch aufgestaut hatte. Sie
hätte sich gewünscht, cooler aufzutreten, aber dieses Arschloch ließ einem kaum
eine Chance dazu. „Die Ausbreitung von Feuer ist also völlig willkürlich, ja?
Ein psychologisches Massenphänomen, ja?”
Sie hatte sich kaum
im Griff und ihr Tonfall schien Ähnliches bei Wegmann auszulösen.
„Gehen Sie mir aus
den Augen”, fuhr er sie an. „Unsere polizeilichen Ermittlungen gehen Zivilisten
gar nichts an.”
Aha, das war sie
also. Eine einfache Zivilistin.
„Und ob die mich
etwas angehen!” Sie brüllte es fast. Um die Reporter zu übertönen, wäre das
kaum nötig gewesen, denn die lauschten ihrer Konversation gespannt. Offenbar gefiel
ihnen die Art, wie sie mit Wegmann umging, aber sie hatte ihre Emotionen kaum
im Griff. „Ich bin sowohl Zeugin eines Mordes als auch engste Vertraute des
Opfers. Ich habe ein Recht, über den Stand der Ermittlungen informiert zu
werden.”
„Einen Scheißdreck
haben Sie!” schrie Wegmann und schob sie mit grobem Griff beiseite. Sie
stolperte und wäre fast gestürzt. Im letzten Moment konnte sie sich auffangen.
Wegmann öffnete seine
Wagentür und war schon mit einem Bein im Auto, als Debbie die ultimative Provokation
einfiel. Die Medienvertreter waren mit Sicherheit noch nicht über Sams Tod
informiert.
„Und was ist mit
Professor Dickinson?” rief Debbie.
Wegmann hielt in
seiner Bewegung inne. Ein Bein im Auto, den Rücken schon leicht zum Einsteigen
gebeugt, verharrte er wie versteinert. Es hatte gewirkt.
„Wie weit sind Ihre
Ermittlungen bezüglich ihres Todes? War es der gleiche Mörder? Gibt es eine
Mordserie? Immerhin waren beide Opfer Epidemiologen!”
Noch immer verharrte
Wegmann wie versteinert inmitten des Einsteigens in seinen Wagen.
„Ich kenne niemanden
dieses Namens”, sagte er schließlich laut. „Habe den Namen Dickinson noch nie
gehört.”
Damit stieg er ein,
schlug die Tür mit Wucht zu und verriegelte sie von innen. Sofort erwachten die
Reporter, die gespannt dem Disput zwischen Debbie und ihm gefolgt waren, zu
neuem Leben, und brüllten Fragen zu Professor Dickinson. Ganz offenbar hatten
sie von ihrem Tod bislang nichts gehört. Quälend langsam schob sich Wegmanns
Passat über den Parkplatz hin zur Absperrung, belagert von Reporterscharen.
Debbie
rekapitulierte, was soeben geschehen war. Im Prinzip konnte sie fast zufrieden
sein. Sie hatte Wegmann unter Druck gesetzt, zwei wichtige Fakten
herausgefunden und die Medien über Sams Tod in Kenntnis gesetzt, was seinerseits
bewirken dürfte, dass diese ihren Druck auf die Polizei noch einmal erhöhen
würden.
Hundertprozentig sicher
herausbekommen hatte sie natürlich nichts, aber sie glaubte, aus Wegmanns
Reaktionen doch zum einen abgelesen zu haben, dass in der Tat jetzt anständige
Ermittlungen in beiden Fällen durchgeführt wurden, und zum anderen, dass Sam
tatsächlich tot war. Es war also nicht mehr nur ein Gerücht.
Sie überlegte, was zu
tun sei. Obwohl es sie erfreute, dass nun ernsthaft ermittelt wurde, wollte sie
sich doch nicht alleine auf die Polizei verlassen. Sie würde weiter ihren
eigenen Theorien nachgehen und mit ein wenig Glück bei der Aufklärung helfen
können.
Doch dazu musste sie
schleunigst von hier verschwinden. Der Passat hatte die Absperrung
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