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Virus (German Edition)

Virus (German Edition)

Titel: Virus (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristian Isringhaus
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das nun
schon wieder?” Wegmann wurde ungeduldig.
    „Oh, vergaß ich das
etwa zu erwähnen?” fragte Dr. Tremmel scheinheilig. Ihm war anzusehen, dass er
das wichtigste Detail absichtlich bisher vorenthalten hatte, um die
größtmögliche Wirkung damit zu erzielen. „Es ist nicht ihr eigenes Blut, das
sich in ihrer Lunge befindet.” Er machte eine weitere dramatische Pause. „Es
handelt sich um Fischblut. Professor Dickinson ist in Fischblut ertränkt
worden.”

29.
    Debbie war zurück in
ihrem Hotelzimmer, allerdings mit weit mehr Mut und Hoffnung als beim Verlassen
desselben. Die Polizei ermittelte. Endlich. Vielleicht würde der Mörder des
Professors doch für seine Tat büßen müssen.
    Zusätzlich zu diesem
Erkenntnisgewinn hatte sie auf der Rückfahrt im Taxi eine fantastische Idee
gehabt, der sie nun nachging. Der Blitz schien nicht natürlich gewesen zu sein,
denn dafür hatte er einfach zu lange gedauert. Aber war es überhaupt möglich,
Blitze künstlich zu erzeugen? Noch dazu einen, der stark genug war, einen
ausgewachsenen Menschen zu töten? Sie wusste es nicht, aber das war nicht so
schlimm. Es gab eine Weisheit unter Studenten, die besagte, im Prinzip müsse
man überhaupt gar nichts wissen – außer, wo man Dinge nachlesen könne.
    Debbie wusste zwar
nicht, wo sie etwas über künstliche Blitze nachlesen konnte, doch das war auch
gar nicht nötig. Sie hatte etwas viel Besseres. Sie kannte einen Physiker. Und
wenn jemand sich mit Blitzen auskannte, dann doch wahrscheinlich ein solcher.
    Vor einigen Monaten
hatte Debbie auf einer Veranstaltung der University of Minnesota Professor
Russell Milton kennengelernt. Er unterrichtete im Tate Lab of Physics, einem
der imposanten Bauten auf dem wunderschönen East Campus direkt am östlichen
Ufer des Mississippi, und versuchte, durch Experimente im Teilchenbeschleuniger
die fundamentalen Kräfte der Natur zu verstehen. Das zumindest, glaubte sie,
verstanden zu haben, als er von seinen Forschungen berichtete. Debbie
vermutete, dass er mit den fundamentalen Kräften der Natur wahrscheinlich eher
keine Blitze meinte, sondern physikalischen Fachzinnober, der fernab ihres
Horizonts lag, doch sie vermutete ebenso, dass er als Physiker trotzdem genug
über Blitze wissen würde, um ihr weiterhelfen zu können. Sie hatte sich eine
Weile mit dem sympathischen Briten unterhalten und war sich relativ sicher,
dass er sich an sie erinnern würde.
    Sie saß am Kopfende
ihres Bettes, den Rücken aufrecht gegen das hölzerne Kopfteil gelehnt, die
Beine zum Schneidersitz verschränkt, den Laptop auf seinem namentlichen
Bestimmungsort, und schrieb Russell eine Email. Sie schilderte den Blitz, die
räumlichen Gegebenheiten und alles, wovon sie sonst noch glaubte, es könne ihm
helfen, den Blitz zu erklären. Mit dem guten Gefühl, der Lösung des Rätsels
vielleicht einen Schritt näher gekommen zu sein, schickte sie die Mail ab.
    Anschließend begann
sie, im Internet über Sam Dickinsons Forschungsinteressen zu googlen. Sie hatte
nie allzu engen Kontakt zu der Epidemiologin gepflegt und wusste nicht sicher,
woran diese gearbeitet hatte. Doch das Ergebnis ihrer Recherche ließ sie
schnell aufhorchen. Im Prinzip war Sams Forschungsgebiet mit dem Meng Hongs
nahezu identisch. Auch sie hatte über die große SARS-Epidemie des Jahres 2003
geforscht. Konnte das ein Zufall sein? Eher unwahrscheinlich.
    Es gab also einen
noch engeren Zusammenhang zwischen den beiden Opfern als nur ihre Fachrichtung.
Und obwohl Debbie nicht viel über Sams Tod wusste, so konnte sie es doch als
zumindest unwahrscheinlich einordnen, dass jemand Mitte Mai um sechs Uhr
morgens ein Bad in der Ostsee nahm. Zumal sie Sam stets als eher gemütlichere
Person kennengelernt hatte, die mit Sport nicht viel am Hut hatte.
    Beweisen konnte
Debbie es nicht, es war mehr ein aus Indizien gewonnenes Gefühl, aber sie war
sich hundertprozentig sicher, dass es sich hier um eine Mordserie handelte. Und
da der Gipfel nicht einmal zwanzig Stunden alt war, und es bereits zwei Tote
gab, war sie sich ebenso sicher, dass es weitere Opfer geben würde.
    Sie legte ihren
Laptop beiseite und sich selbst flach auf ihr Bett. Sie hatte nachzudenken. Was
konnte sie tun? Natürlich musste sie versuchen, weitere Morde zu verhindern.
Logisch. Hierfür gab es nur zwei Möglichkeiten: Entweder sie fand den Mörder,
bevor er wieder morden konnte, oder sie antizipierte die nächsten Opfer, um sie
zu warnen und gezielt schützen zu lassen.

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