Virus (German Edition)
Toten
innerhalb von zwei Tagen, bei denen es zudem Zusammenhänge gab, musste man von
einer beginnenden Mordserie ausgehen, und Herforth hatte sich reichlich
Unterlagen zu früheren Serienmorden und zur Psychologie von Serientätern geben
lassen.
Jetzt saß sie, die
Füße auf dem Tisch, hinter demselben und starrte ungläubig auf den Fernseher.
Es lief ein Bericht von Tanja Franke. Dass die Bilder Wegmanns groben Umgang
mit einer Herforth unbekannten blonden Frau zeigten und Franke diesen
genüsslich als unangemessene Polizeigewalt und polizeiliche Willkür
ausschlachtete, war nicht einmal das Schlimmste. Das Schlimmste war, dass diese
blonde Frau von Professor Dickinsons Tod wusste und Wegmann damit provozierte.
Ungeschickter hätte er es kaum angehen können. Vor der versammelten Presse ließ
er diese Frau den Tod der Professorin verkünden. Er schien sie zu kennen.
Konnte er nicht gewusst haben, dass es besser war, sie von der Presse
fernzuhalten?
Selbst wenn nicht,
hätte er auf keinen Fall einen Disput mit ihr vor den Medienleuten anfangen
dürfen. Was für ein Stümper. Die Zusammenarbeit mit ihm konnte noch lustig
werden. Und seine Reaktion auf ihre Provokation hin war so unprofessionell,
dass es zum Himmel schrie. Völlig paralysiert hatte sie ihn. Genauso gut hätte
er auch einfach zugeben können, dass Professor Dickinson tot war. Durch sein
Verhalten hatte er es sowieso gesagt. Hätte er es ehrlich zugegeben, hätte man
wenigstens die Presse ein wenig beruhigt.
Hinzu kam, dass sie
einfach keinen Hebel zu dem Fall finden konnte. Ein Blitz in einem
geschlossenen Raum. Eine Feuerschrift ohne Brandbeschleuniger. Ein kryptischer
Code. Eine Ertrunkene, die nie ins Meer gelangt sein konnte. Bisher gab es weit
mehr Fragen als Antworten.
Aber dafür hatte man
sie ja geholt. Sie würde den Fall lösen, da war sie sich sicher. Sie griff nach
ihrem Telefon, wählte Wegmanns Nummer und trug ihm auf, sich unter den Globalisierungsgegnern
umzuhören. Man musste weit streuen, und bei einem G8-Gipfel Autonome zu
verdächtigen, lag nun mal nahe.
–––––
Wegmann drückte auf
den roten Hörer seines Autotelefons und schlug wütend auf das Lenkrad.
„Was ist?” fragte
Lars.
„Herforth. Diese Kuh
will, dass wir uns unter den Globalisierungsgegnern umhören. Was soll das
bitteschön bringen?” Wegmann biss sich auf die Lippe. Die nächste Kleinigkeit abarbeiten,
das nächste Detail, der nächste Laufburschenjob.
„Mögliche Verdächtige
abklappern”, erwiderte Lars. „Ich hatte auch schon an einen
Globalisierungsgegner als möglichen Täter gedacht. Ich meine, ist doch bei
einem G8-Gipfel nicht so abwegig, oder?”
Wegmann starrte Lars
ungläubig an, im ersten Moment unfähig, irgendetwas zu sagen.
„Willst du mich verarschen?”
fragte er schließlich, während sie die Stadtgrenzen von Rostock hinter sich
ließen. „Die degradiert uns hier zu den blödesten Laufburschenjobs und dir ist
das scheißegal?”
„Diese blöden
Laufburschenjobs, wie du sie nennst, sind meine tägliche Arbeit”, erwiderte
Lars. Sein Tonfall war nicht beleidigt – dafür hatte er ein viel zu ruhiges
Gemüt –, aber doch leicht gekränkt.
Eine ganze Weile
sprach keiner von ihnen etwas. Wegmann wollte nicht weiter über die
Unwichtigkeit des Auftrags herziehen, um Lars nicht zu verletzen. Er dachte an
den Fall und die Erkenntnisse des Rechtsmediziners.
Fischblut. Es war
nicht möglich. Sämtliche Erkenntnisse, die sie bislang über die beiden Fälle
gesammelt hatten, hatten vor allem eins gemeinsam: Sie waren im Prinzip nicht
möglich. Sie machten nicht den Eindruck, als fehle nur bislang die Erklärung.
Vielmehr schienen sie eindeutig und nahezu belegbar unerklärlich zu sein.
Zumindest mit den bislang bekannten Gesetzen der Natur.
Der Blitz, die
Flammenschrift, das Blut in der Lunge – hatten sie es hier mit Mächten zu tun,
die sich über die bekannten Naturgesetze hinwegsetzten?
„Glaubst du an
übernatürliche Phänomene?” fragte er Lars schließlich. Die Frage war ihm
peinlich, aber sie beschäftigte ihn und er wollte mit jemandem darüber
sprechen.
„Ja”, gab Lars kurz
und knapp zurück.
Wegmann starrte ihn
verwundert an, bevor er sich wieder auf die Straße konzentrierte. Einerseits
war er erleichtert, dass Lars ihn nicht sofort für bekloppt erklärte,
andererseits wäre es ihm lieber gewesen, Lars hätte von sich aus ein wenig mehr
gesagt, so dass Wegmann nicht hätte nachhaken müssen.
„Glaubst
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