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Virus (German Edition)

Virus (German Edition)

Titel: Virus (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristian Isringhaus
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eine
Alternative zur Gewalt”, sagte sie leise. Wenn sie so etwas sagte, klang sie
stets mehr traurig als wütend. Als würde die Gewalt zwischen anderen sie
innerlich verletzen.
    „Sieh doch mal, wie
viele Fernsehteams eure blöde Sitzblockade vorgestern gefilmt haben. Zwei. Und
dann vergleich das mal mit Genua. Und ich wette, gestern waren es auch
hunderte.” Passes Tonfall hatte etwas Ungeduldiges, als warte er sehnsüchtig
darauf, dass sie endlich seinen Argumenten folgte.
    „Ja, es waren
hunderte gestern”, erwiderte Dora bitter. „Und die schicken Bilder von
hirnlosen Idioten um die Welt. Aber wer lässt sich schon von retardierten
Gewalttätern beeinflussen? Welcher Fernsehzuschauer schließt sich deren Meinung
an, welche Regierung hört sich ihre Argumente an?”
    „Wir sind keine hirnlosen
Idioten”, sagte Passe gekränkt. „Du wärst wohl kaum mit mir zusammen, wenn du
mich wirklich für einen halten würdest.”
    „Ich habe halt die
Hoffnung noch nicht aufgegeben, dass du irgendwann vernünftig wirst. Ich weiß
doch, dass du kein schlechter Mensch bist”, sagte sie sanft und nahm seine Hand
in ihre. „Aber der Punkt ist auch nicht der, wie man Aufmerksamkeit erzeugt.
Der Punkt ist die Gewalt. Wäre Gewalt wirklich der einzig valide Weg, so würde
ich lieber das Demonstrieren aufgeben, als ihn zu beschreiten.”
    Passe blickte sie an.
War das seine Freundin? War das die überzeugteste Globalisierungsgegnerin und
die leidenschaftlichste Demonstrantin, die er je kennengelernt hatte? Sie würde
für etwas das Demonstrieren aufgeben? Er sah das wütende Glühen in ihren Augen
verbunden mit der Traurigkeit ihrer sanften Lippen, die Wut über die
Skrupellosigkeit der Reichen und die Trauer über das Leid der Armen. Er wusste,
dass sie niemals aufgeben würde, für ihre Überzeugung zu kämpfen.
    „Ich rufe jetzt Mark
an und frage, was abgeht”, sagte er schließlich und zog sein Handy aus der
Hosentasche.
    Während des Gesprächs
hellte sich seine Miene merklich auf.
    „Und – was hat Mark
gesagt?” fragte Dora mehr beiläufig, während sie mit ihren Füßen Kreise in den
sandigen Grund zeichnete. Passe kannte seine Freundin und er hörte an ihrem
Tonfall, dass es sie nicht im Geringsten interessierte. Sie hatte lediglich
keine Lust mehr zu streiten und er nahm ihr Angebot gerne an.
    „Wir haben gewonnen”,
sagte er. „Die Jungs haben sogar Schlagstöcke und Helme erbeutet. Wie es aussieht,
gab es kaum Festnahmen, aber am Zeltplatz sollte man sich im Moment wohl nicht
rumtreiben. Deshalb haben die beschlossen, mal diese Kneipe im Dorf
auszuchecken. Müssten gleich hier vorbeikommen.”
    „Schön”, sagte Dora
und ihre Stimme hätte nicht gelangweilter klingen können.

33.
    Der Streifenwagen
quälte sich mühsam durch die Journalistenschar bis zum Eingang der Rostocker
Polizeidirektion und brauchte für diese etwa fünfzig Meter knappe fünf Minuten.
Von dem Moment an, in dem der erste Reporter erkannt hatte, wer in dem Auto
saß, hatte die hungrige Medienmeute kein Erbarmen gekannt. Mit fiesem
Ellbogeneinsatz wurde darum gekämpft, ein Foto in das Innere des Wagens zu
schießen, eine Frage zu brüllen, eine Provokation loszuwerden.
    Schließlich, als sich
die hintere Tür der Beifahrerseite unmittelbar vor der Eingangstreppe befand,
hielt der Streifenwagen an. Lars und Wegmann kletterten hinaus und flüchteten
in das Gebäude. Enttäuscht beruhigte sich die Journaille wieder und begann
damit, Wunden zu lecken und blaue Flecken zu massieren.
    Das Erste, was
Wegmann auffiel, als er sein Büro betrat, war, dass seine Magnetwand fehlte.
Einerseits hatte er sie nie wirklich gebraucht, aber andererseits konnte es
nicht angehen, dass jemand einfach in sein Büro spazierte und seine Sachen
stahl. Er würde dem nachgehen müssen. Später.
    Erschöpft ließ er
sich in seinen Stuhl sinken und rieb sich die Rippe, die bei dem Tritt in seine
Magengrube etwas abbekommen hatte. Dies war nicht sein Tag. Und genau so sollte
es weitergehen, denn in diesem Moment betrat Herforth sein Büro. Sie hatte
nicht angeklopft, obwohl seine Tür geschlossen gewesen war, und sie begrüßte
ihn auch nicht. Sie begann einfach zu sprechen. Wegmann hasste sie.
    „Bin ich korrekt
informiert, dass Sie Ausschreitungen ausgelöst und dabei ihr Dienstfahrzeug
verloren haben?” fragte sie mit strengem Ton.
    Wegmann glaubte,
seinen Ohren nicht zu trauen. Wollte sie ihm jetzt die Randale in die Schuhe
schieben? Natürlich wusste

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