Virus (German Edition)
er, dass er nicht ganz unschuldig daran gewesen war,
aber das konnte Herforth unmöglich auch wissen, und Lars würde nichts sagen. Und
selbst wenn er eine kleine Mitschuld trug – es war ein Himmelfahrtskommando
gewesen. Zwei Polizisten ohne Verstärkung zu diesen Asozialen zu schicken, das
hatte ja Schwierigkeiten geben müssen. Wahrscheinlich war das sogar der Grund
gewesen, warum Herforth ihn dorthin geschickt hatte. Sie hatte gewusst, dass es
zu Gewalttätigkeiten kommen würde, für die sie ihn dann verantwortlich machen
konnte. Es war alles Teil ihres Plans, alles Teil seiner Ausbootung.
„Nein, Sie sind nicht
korrekt informiert”, gab er missmutig zurück. „Ich habe keine Ausschreitungen
ausgelöst, sondern gemeinsam mit meinem Kollegen versucht, zu deeskalieren.
Aber viel Gelegenheit hatten wir dazu nicht.” Wegmann hob den Kopf und sah
Herforth mit hasserfülltem Blick an. „Als Sie mich dort ohne Verstärkung
hingeschickt haben”, fuhr er mit sarkastischem Unterton in der Stimme fort, „wussten
Sie da eigentlich schon, dass Globalisierungsgegner Bullen hassen?”
„Sie werden mir einen
Bericht über die Vorkommnisse schreiben.” Sie ließ sich nicht provozieren,
diese eiskalte Hexe. „Und in Zukunft werden Sie sorgsamer mit Ihnen anvertrautem
Staatseigentum umgehen.”
Herforth sah ihm in
die Augen und Wegmann hielt ihrem Blick stand, ohne eine Reaktion zu zeigen.
Diese Karrierekuh war schlanke fünfzehn Jahre jünger als er und gab ihm hier
einen Einlauf. Aber seine Zeit würde kommen.
„Um halb eins ist
Zwischenstandsmeeting in meinem Büro. Sie nehmen teil”, sagte Herforth dann,
drehte sich um und verließ den Raum. Plötzlich herrschte wieder vollkommene
Stille. Wegmann überlegte kurz, ob sie wirklich da gewesen war, oder ob er sich
das nur eingebildet hatte. Er sah auf die Uhr. Zwanzig nach zwölf.
–––––
Das Erste, was
Wegmann sah, nachdem er Herforths Büro betreten hatte, war seine Magnetwand,
die nun hier installiert war und tatsächlich erstmals die ihr ursprünglich
zugedachte Funktion erfüllte. Fotos von beiden Tatorten waren daran befestigt,
ebenso wie der Zeitungsbericht und mehrere Briefe, die Wegmann nicht zuordnen
konnte.
„Ich hatte nicht den
Eindruck, dass Sie sie brauchen”, sagte Herforth. Sie musste seinem Blick
gefolgt sein. „Setzen Sie sich.”
Kein ‚bitte’, kein
‚gießen Sie sich einen Kaffee ein’, einfach nur ‚setzen Sie sich’. Wegmann
fragte sich, ob sie seinen Hass erwiderte oder ob sie ihn einfach nur für einen
Stümper hielt. Er setzte sich an den großen Konferenztisch, an dem bereits zwei
Personen saßen, die Wegmann beide nicht kannte.
Neben ihm saß ein
Mann Anfang vierzig, der sein fast schwarzes Haar zurück gegelt hatte und über
enorme Geheimratsecken verfügte. Er trug einen hellen Anzug, allerdings keine
Krawatte. Stattdessen hatte er sein Hemd leger aufgeknöpft. Ihm gegenüber saß
eine Frau, die wohl eher schon auf die fünfzig zuging und ihre lockigen
rötlichen Haare unachtsam zurückgebunden hatte.
„Das ist
Hauptkommissar Wegmann von der Kripo Rostock”, begann Herforth ohne Umschweife.
Wegmann nickte. „Das hier ist Dr. Christoph Meller, psychologischer
Profilersteller des BKA und dann haben wir hier Claudine Lemairre, die sich
beim Bundesnachrichtendienst mit paranormalen Phänomenen beschäftigt.”
Sieh einer
an! dachte Wegmann. Er war also nicht der Einzige, der diese
Möglichkeit in Betracht zog. Um ganz genau zu sein, handelte es sich für ihn ja
inzwischen nicht mehr um eine Möglichkeit, sondern um einen Fakt, aber das
würde er ohne Beweise erst einmal für sich behalten.
Er griff nach einer
der Tassen, die in der Mitte des großen Tisches bereitstanden, und goss sich
Kaffee aus einer Thermoskanne ein.
„Ich denke, wir
fangen mit Ihren neuen Erkenntnissen an”, wandte sich Herforth an Wegmann. „Was
sagt der Rechtsmediziner?”
Wegmann rührte einen
Würfelzucker in seinen Kaffee und berichtete, was Dr. Tremmel herausgefunden
hatte. Zu seiner Überraschung nahm Herforth diese aus seiner Sicht recht
spektakulären Erkenntnisse relativ unbeeindruckt auf. Sie zeigte nicht die
geringste Regung, sondern registrierte Wegmanns Bericht einfach nur.
„Gut”, sagte sie.
„Dann möchte ich jetzt mit den Sachverständigenberichten fortfahren, die uns
inzwischen erreicht haben.”
Sie stand auf und
nahm die Briefe von der Magnetwand. Es handelte sich also um die
Sachverständigenberichte. Das
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