Virus (German Edition)
wir jetzt
die Annahme, dass der Täter eine Serie plant, mit der Annahme, dass er
keinerlei Mitgefühl zu empfinden imstande ist, so gelangen wir leider zu dem
Ergebnis, dass es nahezu unmöglich ist, die Serie zu stoppen, ohne den Mörder
zu fassen.”
Hier machte Meller
eine kurze Pause, um seinen Worten die ihnen gebührende Tragweite zu verleihen.
Dann fuhr er fort.
„Ganz offensichtlich
möchte der Killer eine Aussage treffen. Die Unterschiede zwischen den Morden
deuten darauf hin. Wie eben gesagt, soll die komplette Serie wahrscheinlich
eine Art Bild, ein Gesamtkunstwerk ergeben, also eine Botschaft. Auch die
Auswahl der Opfer ist Indiz hierfür, denn der Mörder scheint einen Algorithmus
zu benutzen, seine Opfer also nicht zufällig auszusuchen. Zudem haben wir die
flammende Schrift und das Blut in der Lunge – beides Dinge, die, richtig
interpretiert, durchaus eine Aussage in sich tragen könnten. Ein weiterer
Hinweis darauf, dass er etwas mitteilen will, ergibt sich aus der Bühne, die er
für seine Morde gewählt hat, dem G8-Gipfel. Er will, dass die Welt von seinen
Morden Notiz nimmt, dass die Welt seine Aussage wahrnimmt.”
„Und was können wir
daraus schließen, dass er eine Aussage treffen will? Was sagt uns das?” fragte
Herforth dazwischen.
„Nun, diese Annahme
lässt Schlüsse auf seine Motivation zu. Er scheint nicht zu morden, um einen
Trieb zu befriedigen wie die meisten Serienkiller. Vielmehr könnte er ein
politischer Radikaler, ein Umweltaktivist oder ein selbsternannter Rächer sein.
Exakt können wir seine Motivation natürlich nur verstehen, wenn wir seine
Aussage kennen. Soviel zur Psychologie.”
Meller trank einen
Schluck Wasser. Kein Wunder, dachte Wegmann. Ich hätte auch einen
trockenen Mund, wenn ich so lange mit so ‘ner tuntigen Stimme gelabert hätte.
„Das klingt, als
hätten Sie sich Gedanken über die psychologischen Aspekte hinaus gemacht?”
fragte Herforth.
„In der Tat habe ich
auch eine Theorie zur gesellschaftlichen Stellung des Täters. Es ist nur eine
Idee, aber sie will mir nicht aus dem Kopf”, antwortete Meller. Herforth nickte
ihm ermutigend zu. „Immer her damit. Wir können alles gebrauchen.”
„Mir will nämlich der
Gedanke nicht aus dem Kopf”, begann Meller, „der Täter könnte durchaus über
einen gewissen Einfluss in der Gesellschaft verfügen. Bedenken Sie die immensen
Sicherheitsmaßnahmen hier. Ist es möglich, dass es sich sogar um eine
Verschwörung auf höherer Ebene handelt?
Sehr kurz nach
Bekanntgabe des Gipfelschauplatzes wurde damit begonnen, die
Sicherheitsmaßnahmen zu installieren. Wir haben keine Ahnung, wie der Blitz
entstanden ist, aber wenn wir von einem Mörder ausgehen, muss er ihn irgendwie
erzeugt haben. Braucht man dazu nicht vielleicht eine gewisse Infrastruktur?”
„Wollen Sie damit
sagen, der Mörder könnte den Gipfelstandort schon vor dessen Bekanntgabe
gekannt haben, und bereits zu diesem Zeitpunkt erste Vorkehrungen getroffen
haben?” fragte Herforth nachdenklich.
„Unmöglich”, warf
Wegmann ein.
Keiner ging auf seinen
Einwurf ein, er wurde einfach ignoriert. Er war Luft. Seine Ausbootung schritt
fort. Aber seine Zeit würde kommen.
„Genau das”,
antwortete Meller. „Oder zumindest der Auftraggeber der Morde. Ja, ich glaube,
dass der Mörder oder sein Auftraggeber eine wichtige Person ist.”
34.
Devon Driver war
besorgt. Er war besorgt, weil es während des Gipfels sein Job war, besorgt zu
sein.
Für die Sicherheit
des Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika arbeiteten mehrere
Organisationen zusammen. CIA, NSA, NRO und weitere, doch die Central
Intelligence Agency war hauptverantwortlich, und somit kam ihm eine nicht
unwichtige Rolle zu. Zwar war der Schutz des Präsidenten normalerweise nicht
sein Einsatzgebiet, doch der Zufall des Gipfelaustragungsorts hatte ihn dazu
gemacht.
Eigentlich war Driver
Auslandsagent und dauerhaft in Deutschland tätig. Allerdings nicht als
Geheimagent. Die Zeiten verdeckter Einsätze lagen hinter ihm, inzwischen vertrat
er offiziell die Interessen der CIA gegenüber den deutschen Behörden. Es war
normalerweise kein allzu schwieriger Job, denn die amerikanischen Interessen zu
vertreten, bedeutete im Normalfall, Forderungen zu stellen, die dann erfüllt
wurden.
So hatte er auch vor
dem Gipfel dafür gesorgt, dass jegliche Sicherheitsmaßnahmen, die die
Amerikaner zusätzlich installieren und selbständig kontrollieren wollten, von
den Deutschen
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