Virus
ich mich wenden kann, um eine Besichtigung zu ermöglichen?« fragte Marissa, während sie schon hinter das Lenkrad schlüpfte.
»Ich bin der Chef hier«, gab der Mann zur Antwort. »Ich meine, daß es wirklich besser ist, wenn Sie jetzt gehen.« Er trat einen Schritt zurück und wartete auf Marissas Abfahrt.
Nachdem ihr nichts mehr zu sagen einfiel, ließ Marissa den Motor an. Sie versuchte es noch mit einem Abschiedslächeln, doch die Miene des Mannes blieb grimmig, als sie in Richtung Grayson davonfuhr.
Er blieb stehen und wartete, bis der Honda zwischen den Bäumen verschwunden war. Mit einem ärgerlichen Kopfschütteln drehte er sich dann um und ging zum Gebäude zurück. Die Vordertür öffnete sich automatisch.
Das Innere wirkte genauso modern wie das Äußere des Baus. Der Mann ging einen kurzen gekachelten Gang hinunter und betrat dann ein kleines Labor. Auf der einen Seite stand ein Schreibtisch, auf der anderen war eine luftdichte Tür zu sehen wie jene, die ins Hochsicherheitslabor des Seuchenkontrollzentrums führte; dahinter befand sich ein Labortisch mit einem Filtersystem vom Typ HEPA3 darüber.
An dem Schreibtisch saß ein Mann und bog eine Büroklammer zu grotesken Figuren. Er blickte auf: »Warum hast du es nicht mir überlassen, sie entsprechend zu bearbeiten, verdammt noch mal?« Der Satz verursachte einen heftigen Hustenanfall, der ihm die Tränen in die Augen trieb. Er hielt sich ein Taschentuch vor den Mund.
»Weil wir nicht wissen, wer etwas davon weiß, daß sie hergefahren ist«, antwortete der Mann im blauen Overall.
»Gebrauch ein bißchen deinen Verstand, Paul. Manchmal machst du mir richtig angst.« Er nahm den Telefonhörer ab und wandte zum Wählen der gewünschten Nummer unnötig viel Kraft auf.
»Büro von Dr. Jackson«, meldete sich eine helle, fröhliche Stimme.
»Ich muß den Doktor sprechen!«
»Tut mir leid, er hat gerade einen Patienten.«
»Schätzchen, das ist mir völlig egal, selbst wenn er gerade den lieben Gott behandelt. Holen Sie ihn gefälligst an den Apparat!«
»Wen darf ich denn melden?« fragte die Sekretärin kühl zurück.
»Von mir aus den Vorsitzenden der Kommission für ärztliche Ethik. Geben Sie ihn mir jedenfalls sofort!«
»Einen Augenblick bitte!«
Er wandte sich dem Schreibtisch zu und sagte: »Paul, hol mir doch mal meinen Kaffee her!«
Paul warf die Büroklammer in den Papierkorb und erhob sich. Das dauerte ein bißchen, denn er war ein großer Mann und sein linker Arm war im Ellbogengelenk versteift. Er hatte dort einen Schuß von einem Polizisten abbekommen, als er noch ein Junge gewesen war.
»Wer ist denn am Apparat?« fragte Dr. Joshua Jackson am anderen Ende der Leitung.
»Heberling«, sagte der Mann im blauen Overall. »Dr. Arnold Heberling. Sie erinnern sich?«
Paul reichte Arnold den Kaffee, kehrte an seinen Schreibtisch zurück und nahm eine weitere Büroklammer aus dessen mittlerer Schublade. Er dehnte die Brust und räusperte sich.
»Heberling!« sagte Dr. Jackson. »Ich habe Ihnen doch ausdrücklich gesagt, daß Sie mich niemals in der Praxis anrufen sollen!«
»Die Blumenthal war hier«, erwiderte Heberling und ging über Jacksons Einwand hinweg. »Hübsch wie immerkam sie mir nichts, dir nichts in ihrem roten Wägelchen hier angefahren. Ich habe sie glücklicherweise durch das Fenster kommen sehen.«
»Wie um alles in der Welt hat sie denn von dem Labor erfahren?«
»Ich weiß es nicht, und es ist mir auch egal. Hauptsache ist, daß sie hier war, und ich muß zu Ihnen kommen, um mich mit Ihnen zu unterhalten. Das kann so nicht weitergehen. Irgend etwas muß mit ihr passieren!«
»Nein! Kommen Sie auf keinen Fall her!« schrie Jackson aufgeregt. »Ich komme zu Ihnen.«
»Auch recht«, sagte Heberling. »Aber es muß noch heute sein.«
»Ich werde so gegen fünf bei Ihnen sein«, sagte Jackson und knallte den Hörer auf die Gabel.
*
Marissa entschied sich, in Grayson zum Mittagessen zu bleiben. Sie war hungrig und hoffte außerdem, daß ihr vielleicht irgend jemand etwas über das Laboratorium dort draußen sagen könne. Sie hielt vor dem Drugstore an, ging hinein und nahm an einer altmodischen Theke Platz. Sie bestellte einen Hamburger, der ihr in einem frisch gerösteten Brötchen mit einer mächtigen Zwiebelscheibe serviert wurde. Das Cola dazu wurde ihr frisch aus Konzentrat bereitet.
Während Marissa aß, dachte sie über ihre verschiedenen Möglichkeiten nach. Es sah ziemlich dünn aus. Weder ins
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