Der Anführer – dieser Drogendealer – war allerdings Schwede.
Ich sehe jetzt zwei Punkte, an denen man ansetzen könnte. Einmal bei dem Dealer – der Name stand in der Zeitung, Bengt Eglund. Er lässt sich vermutlich ausfindig machen. Zum anderen könnte man versuchen, weitere Sektenmitglieder aufzuspüren. Ich hätte schon eine Idee, wie man zumindest die Namen erfährt.
Aber das kostet alles Zeit. Du wirst dich wohl entscheiden müssen: Willst du es wissen oder nicht?
Gruß
Lee
Date: Tue, 23 Aug 2005 23:13:38 +0200
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Ja, Lee. Geh dem weiter nach. Vor allem finde heraus, wo dieser Eglund jetzt ist. Ich will mit ihm reden. Den Vertrag werde ich gleich ausdrucken und abschicken – falls das hier im Tagungshotel moeglich ist.
Das Attachment enthaelt Fakten ueber meine Mutter. Vielleicht ist etwas dabei, das dir weiterhilft.
Was du herausgefunden hast, passt gut zu meinen Erinnerungen. Aber es bleiben eine Menge Luecken. Zum Beispiel gab es da in Schweden jemand namens Adrian (englisch ausgesprochen), ein Freund meiner Mutter vermutlich. Er hat sich bei ihrem Tod um mich gekuemmert. Und er muss mich auch spaeter noch mal besucht haben, denn ich bin sicher, dass ich einmal mit ihm durch den Bach von Henglinghausen gewatet bin. Das waere dann waehrend der Zeit bei meinen Grosseltern gewesen – 1983 oder 84.
Ich habe meine Tante nach ihm gefragt, aber sie erinnert sich nur noch vage, dass einmal jemand in der Praxis meines Onkels aufgetaucht ist und mich besuchen wollte und dass mein Onkel ihn weggeschickt hat, weil er eine zu »unerfreuliche Erscheinung« war. Sie weiss weder den Nachnamen, noch wann das gewesen sein koennte. Es ist also nicht mal sicher, dass es wirklich dieser Adrian war.
Ich bin sowieso gerade in Deutschland, also werde ich morgen vor der Rückkehr nach Aarhus bei meinem Onkel und meiner Tante vorbeifahren. Vielleicht bekomme ich noch etwas aus ihnen heraus. Oder ich finde etwas bei den Sachen meiner Mutter, die noch im Haus meines Grossvaters liegen. Allzu grosse Hoffnungen habe ich aber nicht.
Das war gute Arbeit bisher, Lee. Mach so weiter.
Dhan
PS : Bitte schreib mir von jetzt an ausschliesslich an die gmx-Adresse. Ich moechte diese Sache von der Arbeit getrennt halten.
Gisela Reinerts
Geboren am 14.2.1955 in Marsberg, Westfalen
Eltern: Alfons und Greta Reinerts, Henglinghausen bei Marsberg
Alfons Reinerts war Anwalt. Giselas Bruder Robert – drei Jahre aelter als sie – ist Arzt und lebt mit seiner Frau Doris in Marsberg. Gisela ging mit 16 von der Schule ab und machte eine Ausbildung als Arzthelferin. Mit 20 verliess sie Henglinghausen und tauchte erst zwei Jahre spaeter wieder auf. Als sie schwanger war.
Ich wurde am 18.12.1977 geboren. Vater: unbekannt. Mein Onkel Robert behauptet, sie haette den Namen nie erwaehnt. In den zwei Jahren, in denen sie fort war, ist sie offenbar viel gereist, unter anderem war sie wohl in Indien. An Details wie Ortsnamen oder die Namen von Freunden kann er sich nicht erinnern.
Gisela weigerte sich, mich taufen zu lassen, und beharrte darauf, mich Dhanavati zu nennen (nach einer indischen Prinzessin). Ich bekam aber zusaetzlich einen »christlichen« Namen: Daniela.
Fuenf Monate nach meiner Geburt zog meine Mutter mit mir aus Henglinghausen weg. In den naechsten Wochen hat sie ihren Eltern noch ein- oder zweimal geschrieben. So weit Robert sich erinnern kann, arbeitete sie zunaechst in Kassel in einer Kneipe, dann zog sie nach Hamburg zu Leuten, die sie aus der Zeit vor meiner Geburt kannte. Dort ist sie offenbar meinem Vater wiederbegegnet und mit ihm und mir nach Schweden gegangen.
Danach hoerten ihre Eltern mehrere Jahre lang nichts von ihr. Im Spaetherbst 1982 wurden sie von der deutschen Botschaft in Schweden benachrichtigt, dass ihre Tochter bei einem Unfall ums Leben gekommen war. Als Todesdatum wurde der 3. November 1982 genannt, als Ort Visby. Ueber die naeheren Umstaende wissen sie nichts. Anscheinend haben sie sich auch nicht dafuer interessiert.
Die schwedischen Behoerden brachten mich zunaechst in einem Heim unter. Dann kam ich nach Deutschland – zuerst zu meinen Grosseltern und spaeter, als meine Grossmutter krank wurde, zu meinem Onkel und seiner Frau in den Nachbarort Marsberg. Meine Grossmutter ist 1996 gestorben. Mein Grossvater lebt noch, aber er ist in einem Pflegeheim und selten ansprechbar. Mein Onkel und meine Tante erfreuen sich