, meinst du. In Köln.«
Maria wandte sich ihr zu. »Ja. Am IAI .« Sie lächelte, angestrengt. »Ich habe schon mit dem Direktor über dich gesprochen, Dhani. Frohnert heißt er, Ulrich Frohnert. Er hätte dich sehr gern an seinem Institut. Sie sind dort erstklassig ausgestattet. Du kannst da viel mehr aus deinen Ideen machen als bei uns.«
»Ich weiß. Ich kann da Kriegsspiele programmieren.«
Maria schnaubte. »Wer hat dir das erzählt – Timo? Das ist seine fixe Idee. Es kann schon sein, dass das IAI manchmal Aufträge für die Rüstungsforschung übernimmt, aber wir reden hier von dem EuroShield-Projekt. Das ist zu hundert Prozent zivil. Lies dir die Unterlagen für den EU -Antrag durch, wenn du mir nicht glaubst. Da steht genau drin, welche Ziele EuroShield verfolgt.«
Maria verstummte, aber sah sie weiter an. Sie schien auf etwas zu warten. Worauf? Dass sie sagte: Keine Angst, ich glaube dir ja? Dass sie sie beschimpfte: Du hast mich fallen lassen? Sie wusste es nicht. Sie waren so weit voneinander entfernt. Zwei autonome komplexe Systeme, die nichts verband. Nicht als wären die Taue zwischen ihnen gerissen – als wären sie nie vorhanden gewesen. Als hätte jemand die Welt, die es bisher gab, durch eine andere ersetzt. Eine, in der nichts verlässlich war. In der man sich nirgendwo festhalten konnte.
»Was ist, wenn ich nicht ans IAI will?«
»Dann musst du dir etwas anderes suchen.« Maria seufzte. »Ich bin nicht Gott, Dhani. Mehr als dieses Stellenangebot habe ich nicht herausholen können. Ich hätte dein Projekt gern am AIMSEP behalten, aber in dem Fall hatte Frohnert alle Argumente auf seiner Seite. Es ist nicht effektiv. Nicht in dem Sinne, wie EuroShield sich das vorstellt. Für diese Leute ist das, was du bei uns machst, Luxus. – Und spring mir nicht gleich ins Gesicht, so hat Frohnert es ausgedrückt, nicht ich.« Sie legte ihr die Hand auf den Arm. »Schlaf doch erst mal drüber, Dhani. Frohnert will morgen selbst mit dir reden. Glaub mir, er möchte unbedingt, dass du ans IAI gehst. Hör dir einfach an, was er sagt. Danach kannst du dich immer noch dagegen entscheiden.«
Schlaf drüber. Wie sollte man schlafen, wenn alles auseinandertrieb? Sie hatte sich in Århus so sicher gefühlt. Eine Spinne in einem gut gewobenen Netz. Nur dass die Fäden im Nichts verankert waren, an substanzlosen Schatten.
Sie döste ein und träumte von Räumen voller Menschen, die Unverständliches miteinander sprachen, unter denen sie vergeblich nach jemandem suchte; nach Maria? Ein Traum ohne Farben und Kontraste, ohne Anfang und Ende; sie wachte auf, weil das weiße Licht in den Räumen sie erstickte. Um halb sechs Uhr morgens zog sie sich an und lief zum See, um zu schwimmen. Das Wasser roch nach Algen, es kühlte sie, und es trug. Danach ging es ihr besser, die Welt war wieder vorhanden. Sie absolvierte die Vorträge, ohne mit jemandem zu reden, aß mittags allein, setzte sich nachmittags unter eine Birke ans Seeufer und rauchte. Im Wasser spiegelten sich die Bäume, die Wolken; die Wellen zerlegten die Bilder in Farbtupfer, weiß, grau, braun, weiß, blau, blau. Als sie auf der Terrasse Stimmen hörte, drückte sie ihre Zigarette aus, stand auf und ging langsam zurück.
Und dort saßen sie. Frohnert und Wiebecke. Allein an einem Tisch am Rand der Terrasse, ein Stück vom Hauptschwarm der Turtles entfernt. Sie sahen ihr entgegen. Frohnert stand auf und rückte ihr einen Stuhl zurecht. Sie setzte sich zu ihnen.
Date: Tue, 23 Aug 2005 0:37:04 +0200
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Hallo Dhan,
jetzt habe ich etwas für dich. Aus der Visbyer Lokalzeitung.
An dem Tag, als deine Mutter starb, ist in Visby ein Drogenhändler verhaftet worden. Bei der Verhaftung gab es einen Unfall, eine Frau kam ums Leben.
Das allein ist natürlich recht vage, aber ich habe es mir von den Behörden bestätigen lassen: Der Name des Opfers war Reinerts. Der Mann, der verhaftet wurde, hatte eine Art Sekte gegründet und lebte mit seinen Anhängern auf einem großen Grundstück an der Ostküste von Gotland. Außerdem besaß er noch ein Haus am Stadtrand von Visby, direkt an der Steilküste, und dort ist es passiert. Ein paar seiner Anhänger sollen dabei gewesen sein.
Mehr war in zwei Arbeitsstunden nicht zu erfahren. Fall nicht gleich über mich her, aber kann es sein, dass deine Mutter zu dieser Sekte gehört hat? Dem Zeitungsartikel nach war das ein internationaler Haufen.