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Visby: Roman (German Edition)

Visby: Roman (German Edition)

Titel: Visby: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Slawig
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Lachte, wenn sie nicht lachen sollte. Sie würden sie packen und ins Bad sperren, und es wäre wie vorher, nein, nicht wie vorher, denn diesmal würde sie ihren Kopf gegen das Waschbecken schlagen, nur das half, nur Schmerz dehnte sich aus, nahm sich Raum, ließ sich nicht auf null Dimensionen bringen. Aus Schmerz konnte man die Welt aufbauen. Brennen in der Hand: Hand Arm Schulter vorhanden. Sie biss auf die Unterlippe. Da. Vorhanden.
    Jens sprach. Wo kam er plötzlich her? Der Kleine stand auf. Sie schob die verletzte Hand in den Ärmel der Jacke. Dann die andere. Ihre Jacke, Geld, Papiere, Schlüssel waren darin. Ihr Mobiltelefon lag auf dem Tisch, sie streckte die Hand aus, sie bemerkten es nicht. Sie stand auf, wich zur Balkontür zurück. Leise. Die Männer stritten.
    Jens sah zu ihr her.
    Sie glitt durch die halboffene Tür ins Freie. Ein Schritt zum Geländer, ein Bein hinüber, das andere auch. Im Hof brannte Licht. Jetzt erlosch es. Sie ließ das Geländer los und sprang.

ANNIKA
    Wie viel er verschwiegen hat. Dieser Jens. Mein Bekannter und seine Kollegen. Nennen wir sie Schulz und Nagel. Kein Wort darüber, was ihn mit diesen Leuten verbindet. Keinerlei Erklärung dafür, weshalb er ihnen geholfen hat. Nur Ausflüchte. Ich begriff nicht. Mir war noch nicht klar .
    Was in der Nacht in Århus passiert ist, hat er mir erst viel später erzählt, mündlich und in Andeutungen. Ein Anruf auf seinem Handy, tief in der Nacht. Zwei Männer, die sich unter Panikattacke offenbar ein paar Angstschreie wie in der Geisterbahn vorgestellt hatten. Eine Fahrt im Taxi durch leere Straßen. Schulz an Dhanavatis Wohnungstür, schon fast wieder der alte Unerschütterliche, der ihn am liebsten ins Hotel zurückgeschickt hätte.
    Dhanavati auf dem Balkon. Wie sie über die Brüstung stieg. Sprang.
    Blut und Spiegelscherben im Bad.
    Wie er nach dem Vorfall – ein Wort, das er besonders gern benutzt – zu Adrian und mir gefunden hat, verrät er ebenfalls nicht, aber das ist leicht zu erraten. Irgendwo in Dhanavatis Computer oder in ihren Papieren werden sie auf Adrians Namen gestoßen sein. Seine Adresse herauszufinden, wird ihnen noch schneller gelungen sein als Lee, Dhanavatis selbsternanntem Detektiv.
    Er kam natürlich auch zu uns, der Detektiv. Einen Tag, nachdem Adrian Westerkoog verlassen hatte, stand er vor der Tür. Ein blasser junger Mann mit kantenlosem Gesicht, dem er durch lange, fein ausrasierte Koteletten und einen Bartfleck am Kinn etwas Form zu geben versuchte. Er klingelte, während ich im Wohnzimmer staubsaugte, und ich ließ den Schlauch fallen, ohne auszuschalten, und rannte zur Tür: Noch hoffte ich bei jedem Motorengeräusch, jedem Rufen, dass Adrian zurückgekehrt wäre. Wie alle anderen fragte auch der Detektiv zunächst nach Adrian und anschließend nach Dhanavati: als wäre ich in einer Fernsehserie gefangen, in der jede Episode gleich begann.
    Leander Schmitz stellte sich immerhin vor. Er bezeichnete sich als Ermittler und behauptete, dass er Dhanavati wegen einer Erbschaftsangelegenheit suchte. Die Lüge machte mich so wütend, dass ich ihm die Tür vor der Nase zuschlug. Am nächsten Morgen, als ich die Post hereinholte, fand ich seine Visitenkarte im Briefkasten. Es stand auch eine Internetadresse darauf, und ich ging in die Kammer und schaltete den Computer ein und sah mir die Seite an. Researcher nannte er sich im Internet. Spezialisiert auf die Suche nach Vermissten.
    Ich saß dort und las das Wort immer wieder. Vermisst. Jemand, der fehlt. Der verloren gegangen ist, der einem aus den Händen geglitten ist, als man unachtsam wurde, der sich verflüchtigt hat wie Dunst in der Sonne, von dem man bald nicht mehr genau wissen wird, wie er roch, wie seine Stimme klang, wie er sich die Augen rieb, wenn er müde war … Ich habe Dhanavati damals gehasst, nicht nur, weil sie ihn fortgelockt hatte, sondern weil alle, die zu mir kamen, nur nach ihr fragten, wie eine Karawane von Pilgern zogen sie an unserer Haustür vorbei und fragten mich stets dasselbe. Wo ist sie, wie geht es ihr, was ist nur mit ihr geschehen, der armen Kleinen, die alle so lieb haben. Nach Adrian fragten sie nur, weil er sie auf Dhanavatis Spur bringen sollte. Nach Nina und mir fragten sie gar nicht. Sogar Dhanavatis Chefin kam aus Århus zu uns, gemeinsam mit einem netten, schweigsamen Dänen, dem Timo Helm aus Nilssons Bericht.
    Aber das war später. An diesem Morgen schaltete ich den Computer aus, kehrte ins Wohnzimmer zurück

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