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Visby: Roman (German Edition)

Visby: Roman (German Edition)

Titel: Visby: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Slawig
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genug nachgedacht. An dem Abend, bevor Nilsson und die beiden anderen Männer nach Westerkoog kamen, hatte ich noch lange in der Werkstatt gearbeitet. An meiner Arche Noah. Ich hätte das Telefon nicht gehört. Und gleich früh am nächsten Morgen war Adrian weggefahren. Nicht zur Arbeit, wie ich dachte, sondern irgendwo anders hin. Zu einem Treffen mit ihr, sicherlich. »Aber das muss vorher gewesen sein. Nicht, nachdem Sie hier waren. Das hätte ich mitbekommen.«
    »Hat Barnes Sie noch mal angerufen, nachdem er abgereist ist?«
    »Nein! Was soll das alles? Was hat Dhanavati mit dem LKA Berlin zu tun?«
    »Wie haben Sie rausgefunden, wo sie jetzt ist?«
    Ich schwieg.
    »Bitte, Frau Otten. Wenn diese Leute die Gelegenheit hatten, auch an die Information zu kommen … «
    »Woher soll ich wissen, was sie können und was nicht?«
    »Eben darum möchte ich ja … «
    Ich fiel ihm ins Wort. »Ich sage Ihnen, was ich weiß, wenn Sie mir erklären, was hier vorgeht. Sonst nicht.«
    Er fuhr sich mit der Hand durch die Haare. Anscheinend hatte er sich das Gespräch auch einfacher vorgestellt. »Das sagen Sie jetzt bestimmt schon zum dritten Mal.«
    »Sie scheinen es ja nicht zu verstehen.«
    Da lächelte er wieder. Und seufzte. »Also gut. Versuchen wir es mal andersrum. Was genau möchten Sie denn wissen?«
    Wo Adrian ist, dachte ich. Wieso Dhanavati nur mit dem kleinen Finger winken muss, damit er zu ihr rennt.
    Wieso sie sich nach zwanzigjährigem Schweigen plötzlich bei ihm meldet.
    »Die ganze Geschichte. Von Anfang an. Was das für Schwierigkeiten sind, in die sie hineingeraten ist. Was Sie alle von ihr wollen. Weshalb sie sich vor Ihnen versteckt.«
    »Das zu erklären, würde ziemlich lange dauern.«
    »Dann treffen wir uns eben morgen noch einmal. Oder Sie schreiben es auf. Das ist mir sowieso lieber. Dann kann ich es mir in Ruhe durchlesen.«
    Und nach den Lücken suchen. Nach den Lügen. Das sagte ich nicht, er wusste ohnehin, dass ich es dachte.
    Er zögerte weiter, aber es wirkte nicht mehr ganz überzeugend. Sicherlich erwog er schon, wie er eine solche Zusage erfüllen konnte, ohne mir etwas Brauchbares zu verraten.
    »Nun – gut«, sagte er schließlich. »Aber bevor ich mich hinsetze und diese ellenlange Geschichte aufschreibe, müssen Sie mir schon einen Tipp geben, was ich als Gegenleistung bekomme.« Sein Lächeln war wirklich sehr charmant. »Sonst stehe ich am Ende mit leeren Händen da.«
    »Ich kann Ihnen sagen, wo sie vor acht Tagen Geld abgehoben hat.«
    Das Lächeln verschwand, als hätte es jemand ausgeknipst. »Sie hat Barnes’ Kreditkarte. Habe ich recht?« Und als ich nicht antwortete: »Natürlich habe ich recht. Sie haben die Abbuchungen von seinem Konto überprüft. So haben Sie es herausgefunden.«
    »Von unserem Konto. Das Geld gehört uns beiden.«
    Er hörte nicht zu. »Verdammt. Vor acht Tagen! Wieso haben Sie denn nicht früher nachgesehen? Konten zu checken ist für die zwei nun wirklich ein Kinderspiel, sie sind vermutlich längst da und … «
    »Aber Dhanavati ist nicht mehr da. Am nächsten Tag war sie schon in einer anderen Stadt.«
    »Ach ja? Und lassen Sie mich raten – da hat sie auch Geld abgehoben, richtig?«
    »Nein. Das weiß ich aus einem anderen Grund.«
    Ich sah, wie er tief einatmete. Vermutlich zählte er langsam bis zehn. »Und dieser andere Grund … «
    »Den erfahren Sie, wenn Sie alles aufgeschrieben haben.«
    Wir sahen uns an. Ich weiß nicht, wie lange – lange genug jedenfalls, dass all mein Unsicherheit zurückkehren konnte. Was mache ich, wenn er einfach nein sagt und geht? Wenn er heute Nacht bei uns einbricht und unseren Computer stiehlt und sich die Informationen, die er will, in aller Ruhe selbst zusammensucht? Wenn er mich aus dem Weg stößt und sich jetzt gleich nimmt, was er braucht? Aber er tat nichts von alledem, er stand nur da. Ich habe keine Ahnung, was er dachte. Schließlich wandte er sich ab und öffnete die Tür ins Freie.
    »Ich komme morgen wieder her.«

DHANAVATI
    Ein weißer Lieferwagen, zwanzig Minuten vor der vereinbarten Zeit. Er hielt auf dem Parkplatz hinter dem Rostocker Bahnhof. Jemand drückte die Fahrertür auf, bis sie fast gegen das Nachbarauto stieß, und zwängte sich heraus. Ein Mann. Struppige Haare, schwarz und grau. Er bewegte die Schultern, als wären sie steif, schloss ab, kam zwischen den Autos hervor und blickte sich um.
    Groß und schwer. Jeans, T-Shirt, ein offenes Holzfällerhemd. Sie erkannte ihn wieder,

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