Visionen Der Nacht: Der Geheime Bund
machte einen Purzelbaum. Sie war froh, dass sie noch nichts gegessen hatte. »Schneckenspuren! Aber das kann ja gar nicht sein«, sagte Gabriel ärgerlich. »Seht euch doch mal um: Um das Auto herum gibt es keine einzige Spur.«
Das stimmte. Kaitlyn schluckte. »Ich habe noch nie eine Schnecke gesehen, die so breite Spuren hinterlässt«, erklärte sie.
»Ich schon, in Der Planet der Riesenbauchfüßler«, erklärte Lewis.
»Ich auch, in meinem Garten«, sagte Anna. Als die anderen sie fragend anblickten, nickte sie. »Ernsthaft. In Puget Sound gibt es so große Schnecken. Bananenschnecken heißen die. Es gibt Leute, die sie essen. «
»Danke für diesen wichtigen Hinweis«, flüsterte Kaitlyn, die erneut Übelkeit in sich aufsteigen spürte.
Gabriel sah noch immer verärgert aus. »Wie sind die da hingekommen?«, fragte er, als ob Anna sie persönlich auf den Van gesetzt hätte. »Und warum sind sie nicht über die anderen Autos gekrochen?« Er deutete auf einen grauen Buick, der in der Nähe stand. Das zugehörige Ehepaar mittleren Alters sah neugierig zu ihnen herüber.
»Lass sie doch in Ruhe. Sie weiß es nicht«, sagte Rob, ehe Anna antworten konnte.
»Du vielleicht?«
Rob warf ihm einen drohenden Blick zu und schüttelte den Kopf. Dann hielt er inne und betrachtete noch einmal stirnrunzelnd den Van. Er schien nachzudenken.
»Es könnte natürlich sein …«
»Was?«, fragte Kaitlyn.
Rob schüttelte langsam den Kopf. Im morgendlichen Sonnenlicht sah er aus wie ein zerzauster goldener
Engel. »Ach nichts«, sagte er und zuckte die Schultern.
Kait spürte, dass er etwas verschwieg. Er sah sie lächelnd an, als wolle er ihr sagen, dass sie nicht die Einzige war, die Geheimnisse vor den anderen hatte.
Ein grauenhafter Sturkopf von Engel, dachte Kait. Rob grinste.
»Kommt, lasst uns fahren«, sagte er zu den anderen. »Das ist nur Schneckenschleim. Wir bringen ihn in die Waschanlage.«
Bis zu diesem Moment war Kaitlyn ihr Traum von den farblosen Leuten total entfallen. Das Erlebnis mit Gabriel hatte ihn völlig aus ihrem Bewusstsein verdrängt. Doch nun erinnerte sie sich plötzlich wieder daran. Sie sah sich den Van genauer an.
»Achtung! «, zischte Lewis, ehe sie etwas sagen konnte. »Der Arm des Gesetzes! «
Ein Polizeiauto fuhr auf den Parkplatz. Kaitlyns Herz machte einen Hüpfer, während sie gemeinsam mit den anderen schnell, aber geordnet den Rückzug ins Auto antrat.
Einfach den Kopf senken und Ruhe bewahren, sagte Rob. Tut so, als unterhielten wir uns.
»Das wird bestimmt mächtig helfen«, höhnte Gabriel.
Das Polizeiauto fuhr langsam an ihnen vorbei. Unwillkürlich warf Kait einen Blick durchs Fenster. Eine
uniformierte Polizistin auf dem Beifahrersitz sah im gleichen Moment hoch, und den Bruchteil einer Sekunde begegneten sich ihre Blicke.
Kaitlyn stockte der Atem. Sie hoffte nur, dass ihr Gesicht nicht verriet, was in ihr vorging. Wenn die Polizistin sah, wie viel Angst sie hatte …
Doch das Auto fuhr weiter.
Kait spürte ihren Herzschlag bis in die Kehle. Kann wohl jemand losfahren?, dachte sie. Zügig, aber unauffällig. Rob setzte sich bereits ans Steuer.
Kaitlyn fürchtete noch immer, dass das Polizeiauto wenden und ihnen folgen würde. Doch es geschah nichts dergleichen. Offenbar hatte es am anderen Ende des großen Parkplatzes angehalten.
Dort, wo der weiße Cadillac stand, wie Kaitlyn feststellte. Sie versuchte, den Gedanken daran und die Erinnerungen, die ihr dabei kamen, zu unterdrücken. Sie wagte es nicht, Gabriel anzusehen oder auch nur in Erwägung zu ziehen, dass sich das lockige Mädchen vielleicht doch an etwas erinnerte.
»Keine Angst«, sagte Lewis, als sie auf dem Highway 5 waren. Er spürte ihre Aufregung, kannte allerdings den Grund nicht. »Jetzt kann nichts mehr passieren. «
Kaitlyn warf ihm ein dünnes Lächeln zu.
In einer Kleinstadt namens Grants Pass fanden sie eine Anlage, in der sie das Auto selbst waschen konnten.
Kaitlyn gab 95 Cent ihres Vermögens aus, um Papiertücher zu kaufen. Anschließend besorgte sie zum Frühstück im nahe gelegenen Schnellrestaurant Wraps und Kaffee, da keiner mehr Lust auf Erdnussbutter hatte.
»Jetzt sollten wir aber zur Küste rüberfahren«, sagte Rob. Sie hatten auf dem WC ihre Morgentoilette erledigt, eine Erfahrung, die Kait nicht unbedingt noch einmal wiederholen wollte.
»Tja, wir haben zwei Möglichkeiten«, sagte Lewis, der zum festen Hüter der Straßenkarte geworden war. »Es gibt eine kleinere
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