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Visionen Der Nacht: Die Dunkle Gabe

Visionen Der Nacht: Die Dunkle Gabe

Titel: Visionen Der Nacht: Die Dunkle Gabe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa J. Smith
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müssen«, sagte Kaitlyn.
    »Super. Ich teile mir gern mit einer von euch das Zimmer«, sagte Lewis sofort.
    »Nein, nein, nein. Ich sehe erst mal nach, wie das Licht in den kleineren Zimmern ist«, sagte Kaitlyn und sprang auf.
    »Guck dir lieber das Sprudelbad an«, rief Lewis hinter ihr her.

    Im Flur drehte sich Kait noch einmal um, lachte ihm über die Schulter zu und stieß geradewegs mit jemandem zusammen, der soeben oben an der Treppe angekommen war.
    Der Zusammenprall war heftig, und Kaitlyn sprang unwillkürlich zurück. Dabei stieß sie mit dem Bein gegen etwas Hartes. In der Kniebeuge spürte sie einen Schmerz, der ihr für einen Augenblick die Sprache raubte. Sie biss die Zähne zusammen und sah nach, woran sie sich gestoßen hatte. Es war die Schublade eines Nachttischchens, die halb offen stand. Was hatten die ganzen Möbel hier im Flur überhaupt zu suchen?
    »Es tut mir wirklich leid«, sagte jemand leise in einem schleppenden Südstaaten-Akzent. »Hast du dir wehgetan?«
    Kaitlyn sah den braun gebrannten blonden Kerl an, mit dem sie zusammengestoßen war. Was für ein Vertreter seines Geschlechts! Er war nicht klein und ungefährlich wie Lewis, sondern groß gewachsen. Es war die Art Mensch, die den Raum um sich herum, die gesamte Umgebung mit seiner Ausstrahlung beeinflusste, einer sehr männlichen Ausstrahlung. Wenn Anna einer kühlen Brise glich, so war dieser Knabe ein goldener Sonnenwind.
    Da sie ihn wohl kaum ignorieren konnte, schleuderte Kaitlyn ihm ihren vernichtendsten Blick zu. Er
erwiderte ihn freundlich, und sie stellte überrascht fest, dass seine Augen bernsteinfarben waren – golden. Nur einen Hauch dunkler als sein Haar.
    »Du hast dir wehgetan«, sagte er. Offenbar verwechselte er ihre Abneigung mit Schmerz. »Wo?« Und dann tat er etwas, das Kaitlyn völlig sprachlos machte. Er ging auf die Knie.
    Wahrscheinlich will er sich entschuldigen, schoss es ihr durch den Kopf. Oh Gott, in Kalifornien sind sie alle völlig durchgeknallt.
    Doch er entschuldigte sich nicht. Er sah nicht einmal zu ihr auf, sondern fasste ihr ans Bein.
    »Hier ist es, stimmt’s?«, sagte er in seinem weichen Südstaaten-Singsang.
    Kaitlyn klappte der Mund auf, doch sie konnte nichts anderes tun, als ihn anzustarren. Sie lehnte mit dem Rücken an der Wand. Es gab keinen Ausweg.
    »Ist es genau hier?« Und dann hob er kurzerhand den Rock ihres roten Kleides an. Kaitlyn verfiel in eine Art Schockstarre. Sie hatte schlichtweg keine Erfahrung, die sie auf diese Situation vorbereitet hätte: Ein völlig fremder Mensch fasste ihr in aller Öffentlichkeit unters Kleid. Und wie er es tat: nicht wie jemand, der sich etwas herausnimmt, sondern eher … eher … wie ein Arzt, der einen Patienten untersucht.
    »Es ist keine Platzwunde«, sagte er. Er sah nicht sie an oder ihr Bein, sondern blickte vielmehr den Flur
hinunter. Seine Finger strichen sanft über die schmerzende Stelle. Sie waren trocken und warm, unnatürlich warm.
    »Aber du wirst eine schlimme Beule kriegen, wenn du nichts dagegen unternimmst. Würdest du wohl kurz stillhalten? Dann könnte ich dir helfen.«
    Diese Worte beendeten Kaitlyns Sprachlosigkeit.
    »Stillhalten? Stillhalten wofür?«
    Er winkte mit einer Hand ab. »Ganz ruhig jetzt, bitte.«
    Kaitlyn war wie betäubt.
    »Ja«, sagte er, mehr zu sich selbst. »Ich glaube, da kann ich etwas tun. Ich werde es versuchen.«
    Kaitlyn war wie gelähmt. Sie spürte seine Finger in ihrer Kniebeuge, einer sehr intimen Stelle, extrem zart und verletzlich. Kait konnte sich nicht daran erinnern, dass sie überhaupt schon jemand dort berührt hatte, nicht einmal ihr Arzt.
    Dann wurde die Berührung zu einem brennenden Gefühl, wie ein sanft flackerndes Feuer. Fast war es ein Schmerz, aber …
    Kait rang nach Luft. »Was tust du da mit mir? Hör auf! Was machst du da?«
    Leise und bedächtig, ohne auch nur aufzublicken, antwortete er: »Ich kanalisiere Energie. Oder versuche es zumindest.«
    »Ich habe gesagt, hör auf – ooh.«

    »Arbeite mit, bitte. Kämpf nicht dagegen an.«
    Kaitlyn starrte von oben auf seinen Kopf. Sein goldblondes Haar stand in unbändigen Locken ab.
    Eine merkwürdige Empfindung durchströmte Kait, breitete sich vom Knie in den ganzen Körper aus, in jedes Blutgefäß, jede Kapillare. Es war ein wunderbar erfrischendes Gefühl, als tränke man klares kaltes Wasser, wenn man schon fast verdurstet ist, oder als tauche man in einen herrlich kühlen Nebel ein, wenn man völlig überhitzt

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