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Visionen Der Nacht: Die Dunkle Gabe

Visionen Der Nacht: Die Dunkle Gabe

Titel: Visionen Der Nacht: Die Dunkle Gabe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa J. Smith
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ist. Kaitlyn meinte plötzlich, bis zu diesem Augenblick nur halb wach gewesen zu sein.
    Der Südstaaten-Knabe machte nun merkwürdige Bewegungen, so, als wische er Fussel aus der Kniekehle. Darüberstreichen – abschütteln – darüberstreichen – abschütteln. Es war, als nehme er mit den Fingern etwas auf und schnipse es dann weg.
    Plötzlich merkte Kaitlyn, dass der Schmerz vollständig verschwunden war.
    »Das war’s«, sagte er zufrieden. »Jetzt kann ich es abschließen …« Er legte die hohle warme Hand über die Kniekehle. »Gut. Jetzt dürfte es keine Beule geben. «
    Er stand auf und klopfte sich die Hände ab. Er atmete schwer, als hätte er einen Sprint hinter sich.
    Kaitlyn starrte ihn an. Sie hätte jetzt einen Sprint laufen können. Nie hatte sie sich so frisch gefühlt, so
quicklebendig. Doch dann sah sie ihm ins Gesicht und hatte plötzlich das Bedürfnis sich hinzusetzen.
    Als er ihren Blick erwiderte, erwartete sie … Sie wusste auch nicht so genau, was sie eigentlich erwartet hatte. Jedenfalls war es nicht das kurze, leicht abwesende Lächeln von jemandem, der sich umdreht, um seiner Wege zu gehen.
    »Tut mir leid. Ich glaube, ich gehe besser runter und helfe Joyce mit dem Gepäck, ehe ich noch jemanden über den Haufen renne.« Er blickte die Treppe hinunter.
    »Warte mal kurz! Wer bist du eigentlich? Und – «
    »Rob.« Er lächelte ihr über die Schulter zu. »Rob Kessler.« Schon ging er die Treppe hinunter, und weg war er.
    » – und wie hast du das gemacht?«, fragte Kait ins Leere.
    Rob. Rob Kessler, dachte sie.
    »Hey, Kaitlyn!« Das war Lewis, der hinten aus dem Zimmer nach ihr rief. »Bist du noch da? Komm, Kaitlyn, schnell!«

KAPITEL VIER
    Kaitlyn zögerte, den Blick immer noch auf die leere Treppe gerichtet. Dann riss sie sich zusammen und ging langsam zurück ins Zimmer. Lewis und Anna standen im Erker und sahen aus dem Fenster.
    »Er ist da«, sagte Lewis aufgeregt und holte den Fotoapparat. »Das muss er sein!«
    »Wer ist da?«, fragte Kaitlyn und hoffte, keiner würde sie genauer ansehen. Sie hatte das Gefühl, die Schamröte stünde ihr noch im Gesicht.
    »Mr. Zetes«, sagte Lewis. »Joyce sagte, er hätte eine Luxuslimousine.«
    Eine schwarze Limousine parkte vor dem Haus, und eine der hinteren Türen war geöffnet. Daneben stand ein weißhaariger Mann im Wintermantel. Kaitlyn überlegte, dass es an diesem kalifornisch milden Nachmittag unheimlich heiß darin sein musste. In der rechten Hand hatte der Mann einen Spazierstock mit goldenem Knauf. Ein echter Goldknauf, dachte Kaitlyn fasziniert.
    »Sieht ganz so aus, als hätte er ein paar Freunde mitgebracht«, sagte Anna lächelnd. Zwei große schwarze Hunde sprangen soeben aus dem Auto. Sie hechteten
zum Gebüsch, kamen aber auf ein Wort ihres Herrchens zurück und stellten sich rechts und links neben ihn.
    »Süß«, sagte Kaitlyn. »Aber was ist das denn?« Ein weißer Kleinbus stieß rückwärts in die Einfahrt. Er trug die Aufschrift »Department of Youth Authority«.
    Lewis ließ mit ehrfürchtigem Blick die Kamera sinken. »Junge, Junge! Das ist die Kalifornische Jugendbehörde. «
    »Und das heißt?«
    »Das ist die Endstation. Da kommen die richtig schlimmen Jungs hin. Die harten Kerle, mit denen man in den regulären Jugendstrafanstalten nicht mehr klarkommt.«
    Anna fragte mit ruhigem Tonfall: »Du meinst, der kommt aus dem Gefängnis?«
    »Mein Dad sagt, da kommen die Jugendlichen hin, die auf dem besten Weg in den Knast sind. Ihr wisst schon, Mörder und so etwas.«
    »Mörder?«, rief Kait. »Was hat der dann hier zu suchen? Glaubst du etwa …« Sie sah Anna an, die ihren Blick erwiderte und nicht mehr ganz so gelassen aussah. Offenbar dachte sie genau dasselbe.
    Beide sahen Lewis an, dessen mandelförmige Augen geweitet waren.
    »Ich glaube, wir gehen besser runter«, sagte Kaitlyn.
    Sie liefen die Treppe hinunter und hinaus auf die
Holzveranda. Dort angekommen, versuchten sie, sich nichts anmerken zu lassen, doch es achtete sowieso niemand auf sie. Mr. Zetes unterhielt sich mit einem Polizisten in khakifarbener Uniform, der neben dem Kleinbus stand.
    Kaitlyn hörte nur Wortfetzen – »Richter Baldwin«, »CYA-Gewahrsam«, »Rehabilitation«.
    »… Ihre Verantwortung«, sagte der Polizist schließlich und gab die Autotür frei.
    Aus dem Kleinbus stieg ein Jugendlicher aus. Kaitlyn hob unwillkürlich die Augenbrauen.
    Er war ungewöhnlich hübsch, doch aus seinem Gesicht und seinen Bewegungen sprach

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