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Visionen Der Nacht: Die Dunkle Gabe

Visionen Der Nacht: Die Dunkle Gabe

Titel: Visionen Der Nacht: Die Dunkle Gabe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa J. Smith
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eine kühle Reserviertheit. Haare und Augen waren schwarz, die Haut jedoch war relativ blass. Einer der wenigen Kalifornier, die nicht braun gebrannt sind, dachte Kaitlyn.
    »Chiaroscuro«, murmelte sie.
    »Was?«, flüsterte Lewis.
    »Das ist das Fachwort für Helldunkelmalerei. Es heißt ›Licht und Schatten‹, wie in einer Zeichnung, in der man nur Schwarz und Weiß verwendet.« Kaitlyn merkte plötzlich, dass sie zitterte. An diesem Jungen war etwas Merkwürdiges, als ob – als ob –
    Als ob er nicht alle Tassen im Schrank hätte, ergänzte sie innerlich. Aber das sind ja auch die Worte, die die Leute zu Hause über dich sagen, nicht wahr?

    Der Kleinbus fuhr davon. Mr. Zetes und der Neue gingen zur Tür.
    »Sieht aus, als hätten wir einen neuen Hausgenossen«, sagte Lewis im Flüsterton. »Junge, Junge.«
    Mr. Zetes nickte den dreien auf der Veranda höflich zu. »Wie ich sehe, seid ihr schon da. Ich glaube, jetzt sind wir vollzählig. Kommt bitte herein, dann können wir uns miteinander bekannt machen.« Er ging ins Haus, gefolgt von den Hunden. Sie sahen ziemlich gefährlich aus. Rottweiler, dachte Kaitlyn.
    Anna und Lewis traten einen Schritt zurück, als der Neue an ihnen vorbeiging, doch Kaitlyn blieb ungerührt stehen. Sie kannte das Gefühl, wenn andere vor einem zurückweichen. Als er ihr im Vorbeigehen direkt in die Augen sah, fiel Kaitlyn auf, dass seine Augen nicht schwarz waren, sondern dunkelgrau. Sie hatte das deutliche Gefühl, dass er sie verunsichern, sie dazu bringen wollte, den Blick abzuwenden.
    Ich frage mich, wie er in Jugendhaft gekommen ist, dachte sie und fror wieder unvermittelt. Sie folgte den anderen ins Haus.
    »Mr. Zetes!«, rief Joyce aus dem Wohnzimmer. Sie nahm den alten Herrn am Arm und redete lächelnd und gestikulierend auf ihn ein.
    Kaits Aufmerksamkeit galt dem blonden Jungen auf der Treppe. Rob Kessler hatte eine Reisetasche – ihre Reistasche – über die Schulter geworfen. Als er
die Gruppe auf sich zukommen sah, machte er einen Schritt auf sie zu – und blieb dann unvermittelt stehen.
    Er erstarrte geradezu. Kaitlyn folgte seinem Blick. Er ruhte auf dem Neuen.
    Der stand ebenfalls da wie versteinert. Seine dunkelgrauen Augen hatten sich mit großer Intensität und eisigem Hass auf Rob geheftet. Sein Körper war gespannt, als wolle er jeden Moment angreifen.
    Einer der beiden Rottweiler begann zu knurren.
    »Guter Hund«, sagte Lewis nervös.
    »Du«, sagte der Neue zu Rob.
    »Du«, sagte Rob zu dem Neuen.
    »Ihr beiden kennt euch?«, fragte Kaitlyn.
    Rob sprach, ohne den Blick von dem blassen, argwöhnischen Gesicht des anderen abzuwenden. »Aus früheren Zeiten«, sagte er. Er ließ die Reisetasche mit einem Plumps auf die Treppe fallen.
    »Nicht lange genug her, die Zeiten«, sagte der andere. Im Gegensatz zu Robs weichem Singsang klangen seine Worte hart und abgehackt.
    Jetzt knurrten beide Hunde.
    Tja, da ging sie dahin, die Harmonie zwischen den Hausgenossen, dachte Kaitlyn. Sie sah, dass Mr. Zetes und Joyce ihr Gespräch eingestellt hatten und die Jugendlichen ansahen.
    »Da sind wir also«, sagte Mr. Zetes trocken, und
Joyce fügte hinzu: »Kommt alle hier rüber! Das ist der Moment, auf den wir gewartet haben.«
    Rob und der Neue wendeten sich langsam voneinander ab. Joyce lächelte die Gruppe, die sich um sie versammelt hatte, strahlend an.
    »Es ist mir eine besondere Ehre, euch den Mann vorzustellen, der euch alle hierher gebracht hat, den Mann, der verantwortlich ist für dieses Projekt. Mr. Zetes.«
    Kaitlyn hatte einen Augenblick das Gefühl, als müsse sie Beifall klatschen. Stattdessen murmelte sie mit den anderen ein »Hallo«.
    Mr. Zetes neigte leicht den Kopf, während Joyce fortfuhr: »Mr. Zetes, das sind die Teilnehmer der Studie. Anna Whiteraven aus Washington.« Der alte Mann gab erst Anna die Hand und dann reihum den anderen, die Joyce ihm vorstellte. »Lewis Chao aus Kalifornien. Kaitlyn Fairchild aus Ohio. Rob Kessler aus North Carolina. Und Gabriel Wolfe aus … von hier und da.«
    »Ja, das hängt immer davon ab, wo gerade Anklage erhoben wird«, murmelte Rob. Mr. Zetes warf ihm einen durchdringenden Blick zu.
    »Gabriel wurde in meine Verantwortung überstellt«, sagte er. »Es ist ihm gestattet, die Schule zu besuchen. Doch außerhalb der Schulzeiten muss er hier im Haus bleiben. Er weiß, was geschieht, wenn
er sich nicht an diese Bedingungen hält – nicht wahr, Gabriel?«
    Gabriels dunkle Augen blickten von Rob zu Mr.

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