Visionen (Kobaltblaue Träume) (German Edition)
geistesabwesend. Dann straffe ich meine Schultern.
„Aber sowas von!“
5)
A ls wir Hand in Hand den Speisesaal betreten, registriere ich nur am Rande, dass hier einige Veränderungen vorgenommen wurden.
Waren vorher die Tische akkurat in Reih und Glied ausgerichtet, stehen sie nun beinahe locker verteilt, was dem Raum eine gemütlichere Note verleiht.
Sogar eine Eckbank gibt es.
Meine!
Kay grinst mich an. „Ich vermute mal, um diesen Platz werden wir uns prügeln müssen“, meint er trocken und ich befürchte, er hat Recht.
Dann allerdings richte ich meinen Fokus auf das Wesentliche und erblicke ultralange Haare, die wie glänzende Rabenflügel über einen schmalen Rücken bis hinab zur schmalen Taille fließen.
Rheena!
Gott, ich kann es noch immer nicht fassen, dass ich meine Freundin jetzt gleich, nach so langer Zeit, wiedersehe.
Sie umarmen darf.
Meine Kehle ist plötzlich eng. Ich kann nicht glauben, welch emotionales Weichei ich bin.
„ Dafür liebe ich dich besonders.“
Kays warmes Lächeln gibt mir den Rest. Ich schließe die Augen und kämpfe mit den Tränen, die sich bereits hinter meinen Lidern sammeln und nur darauf warten, dass ich die Augen wieder öffne und sie ungehindert über meine heißen Wangen strömen dürfen.
Aber ich werde meiner Freundin ganz sicher nicht mit verquollenen Glubschaugen gegenübertreten.
„ Nun lauf schon, Baby!“
Kay drückt ganz leicht seine Hand in meinen Rücken.
Mehr braucht's nicht!
Meine Beine setzen sich in Bewegung und mit jedem Schritt werde ich schneller. Ich halte erst an, als mir die seidige Haarpracht geradewegs ins Gesicht weht.
„Rheena“, flüstere ich heiser und umarme sie. Ganz fest presse ich mich an ihren schmalen Rücken und drücke meine Nase in ihr duftendes Haar.
Rheena versteift sich kurz, dann dreht sie sich um.
„ Hey“, lacht sie, „du musst Kim sein. Ich hab schon viel von dir gehört!“
Ich stehe da wie Lots Weib.
Das ist doch nicht möglich. Eine solche Ähnlichkeit gibt es doch nur unter Zwillingen … oder etwa nicht?
Fassungslos starre ich mein hübsches Gegenüber an.
„ Ich bin Lily“, kichert die Rheena-Kopie, „und ich freue mich sehr, dich endlich kennen zu lernen.“
Sie scheint an meinem ungebührlichen Benehmen nichts Seltsames zu finden.
Wahrscheinlicher aber ist es, dass Rheena ihre kleine Schwester – denn um genau diese handelt es sich bei Lily - bereits über mich aufgeklärt hat.
Endlich besinne ich mich auf meine guten Manieren und erwache aus meiner Starre.
Keine Sekunde zu früh. Doch bevor ich Lily die Hand zur Begrüßung reichen kann ...
„ Kim … oh mein Gott, oh mein Gott … Kiiiiiiiiiiiiiiiiiiiim!“
Wie ein Derwisch flitzt die echte Rheena auf mich zu und einen Wimpernschlag später liegen wir uns heulend in den Armen.
„ Wie geht’s dir?“
„ Alles klar bei dir?“
„ Du siehst gut aus!“
„ Du bist noch hübscher geworden!“
„ Ich hab dich so vermisst!“
„Ich bin so froh, dass ich dich wieder habe!“
Irgendwann gelingt es uns beiden, ein wenig Abstand zwischen uns zu bringen und uns mit feuchten Augen anzusehen.
Von wegen hübsch!
Wenn ich mir Rheena so ansehe, möchte ich lieber gar nicht erst wissen, wie ich aussehe.
Bis auf die Tatsache, dass meine Wangen keine Mascara-Schlieren zieren, weil ich noch immer kein Make up benutze, dürfte meine Nase und meine Augen vermutlich ebenso rot und verquollen sein, wie die meiner Freundin.
Rheena geht wohl dasselbe durch den Kopf und schon brechen wir beide in schallendes Gelächter aus.
„ Gott, siehst du Kacke aus!“
„ Mensch, siehst du Scheiße aus!“
Noch ehe ich mir völlig undamenhaft mit dem Handrücken über die Nase wischen kann, steht Kay neben uns und reicht uns eine Packung Papiertaschentücher.
„Danke!“, schniefen Rheena und ich im Duett.
Das heftige Tröten beim gemeinsamen Nasenschneuzen klingt selbst in meinen Ohren unmöglich.
Zwei Elefanten in der Brunft machen weniger Lärm!
Lily verdreht ihre Augen, aber ihre hochgezogenen Mundwinkel zeigen, dass sie es lustig findet.
Lustiger, als ich jedenfalls.
Ich überlege noch, ob ich vor Scham im Boden versinken oder ob es mir einfach scheißegal sein soll.
Schließlich entscheide ich mich für Letzteres, fasse meine super süße Rheena an den Händen und wirbele gemeinsam mit ihr im Kreis herum.
„ Ich hab gar nicht gewusst, wie sehr ich dich vermisst hab“, gebe ich mit einem schiefen Grinsen zu.
„ Geht
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