Visionen (Kobaltblaue Träume) (German Edition)

ehrlich gesagt waren es so an die zehn Runden.
    So wundervoll dieses Ereignis ist, hat es dennoch einen Haken. Selena geht es nicht sehr gut. Sie hängt quasi den halben Tag mit dem Kopf über der Toilettenschüssel.
    Nachdem wir kurz in Erwägung gezogen haben, ob ich diesem Zustand durch Handauflegen ein Ende bereiten könnte, haben wir das ganz schnell wieder verworfen, da wir nicht wirklich wissen, welche Auswirkung meine Fähigkeit auf das Ungeborene hat.
    Wenn ich meine Finger schon ohne Zuhilfenahme eines Skalpells in Vics Leiste versenken konnte, ist diese Vorsichtsmaßnahme durchaus nachvollziehbar.
    Der Gedanke Selena Schaden zuzufügen, hat mich sogar davon abgehalten, sie zu umarmen … und das war wirklich schlimm für mich. Schließlich sind wir beide noch immer die beiden einzigen weiblichen Wesen im Haus und ich hab sie schrecklich lieb.
    Hoffentlich wird das Baby ein Mädchen …
    Phil hat mich jedoch ziemlich schnell davon überzeugen können, dass ich mit meiner Umarmung weder Selena noch dem Baby in ihrem Bauch irgendwelchen Schaden zufügen kann.
    Deshalb klammere ich mich jetzt seit geschlagenen fünfzehn Minuten mit einem lachenden und einem weinenden Auge an ihr fest, um mich zu verabschieden.
    Einerseits bin ich traurig, sie und den Rest der Mannschaft zu verlassen, andererseits freue ich mir beinah ein Loch ins Knie, wenn ich daran denke, dass ich in wenigen Tagen Rheena wiedersehe.
    Was war noch gleich der Grund, weshalb Vic uns begleitet?
    Ach so, ja!
Da Selena wegen ihrer Kotzerei nicht in der Lage ist, ihre Tätigkeit als Sportlehrerin auf Castillian auszuüben, hat sie Mr. Baker, unserem neuen Direktor, angeboten, ihren – ja, was ist er denn eigentlich? Adoptiv-Stiefsohn? - Vic als Vertretung zu schicken.
    Und Mr. Baker, der mit all der Arbeit, die mit der Leitung des Internats einhergeht, mehr als genug um die Ohren hat, hat dieses Angebot mit Kusshand angenommen.
    Ob er über dieses Arrangement noch so glücklich ist, wenn die Mädels beim Anblick meines heißen Brüderchens reihenweise in hysterisches Kichern ausbrechen oder gar in Ohnmacht fallen, wage ich zu bezweifeln.
    Im Moment sehe ich in dieser neuen Situation jedoch überwiegend meine Vorteile.
Wenn sich der Fokus des weiblichen Anteils auf Castillian nämlich jetzt auf Vic richtet - wovon ich zu hundert Prozent ausgehe - muss ich Kay nicht ständig mit Zähnen und Klauen verteidigen.
    Nicht, dass ich mir seiner Gefühle inzwischen nicht absolut sicher bin.
    Allerdings weiß ich mit Gewissheit, dass einige Mädchen – und ich will hier gar keine Namen nennen – sich einen Teufel darum scheren, ob ein Junge sich in einer Partnerschaft befindet oder nicht.
    „ Kim, du musst los!“
    Selena drückt mich noch einmal an sich.
    „ Pass ja gut auf euch beide auf, ja?“, quetsche ich heraus.
Jetzt bloß nicht heulen!
    „ Ich versprech’s! Und du, pass auf dich auf … und auf deinen Bruder!“
Der Blick, den Selena mir zuwirft, zeigt mir, dass sie wohl die selben Gedanken hat, wie ich. Schließlich hat sie die Damen auf Castillian ja einige Zeit hautnah erleben dürfen.
    Wir prusten los, bis uns die Tränen kommen.
    Immerhin können wir so den wahren Grund unserer Heulerei kaschieren.
    Mit einem Winken in die Runde, stelle ich fest, dass wirklich alle gekommen sind … alle, außer Renee. Er befindet sich bereits irgendwo auf einem Einsatz.
    Gott! So glücklich ich bin, dass Vic uns begleitet, so traurig war ich in dem Moment, als mir klar war, dass Renee nicht mit uns kommt.
So lange, bis Renee mich mit einem Augenzwinkern, einem frechen Grinsen und ohne ein Wort zu sagen, an etwas erinnert hat.
    Natürlich!
    Renee kann sich ja jetzt überall hin teleportieren!
     
    „ Ich werde euch hin und wieder besuchen kommen!“
„Aber nur nach Voranmeldung!“, stoße ich hervor und fühle geradezu, wie das Blut in meine Wangen schießt.
    Renee biegt sich vor Lachen. „Hey, denkst du vielleicht, mir macht es Spaß, mein Schwesterchen beim Matratzensport zu ...“
„Stopp! Das reicht!“, quietsche ich entsetzt.
     
    Ich glaube, während dieses Dialogs erhöhte sich meine Körpertemperatur um mehrere hundert Grad.
    „ Baby?“
Kay taucht neben mir auf, nimmt meine Hand und reißt mich aus der Erinnerung.
    Ich drücke Selena noch einen letzten Schmatzer auf die Wange, dann lasse ich mich von Kay zum Van ziehen. Phil fährt, Vic sitzt neben ihm, Kay und ich klettern auf die Rückbank.
    „ Kann’s losgehen?“ Phil dreht