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Visite bei Vollmond

Visite bei Vollmond

Titel: Visite bei Vollmond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cassie Alexander
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verstellen«, sagte er drohend. Als er sich
über mich beugte, schlug ich ihm ins Gesicht.
    Ruckartig wich er seitlich aus.
Meine Hand streifte lediglich seinen Kiefer, doch der Armreif berührte dabei
seine Wange. Heulend schlug er eine Hand vors Gesicht, während er mit den Krallen
der anderen meinen Oberschenkel malträtierte.
    Ich entdeckte meine Handtasche
und schob mich darauf zu. Da drin war der Dolch, wenn ich doch nur … Ich
streckte den Arm aus und spürte den Schmerz durch meinen Körper fahren. Endlich
erwischte ich den Riemen und zog daran.
    Während ich die Tasche wie ein
Schild an meine Brust drückte, setzte Jorgen zu einem neuen Angriff an.
    Â»Warum? Warum das alles? Warum
ich?« Ich versuchte ihn abzulenken, panisch zu klingen – nicht wütend – und
hoffte, dass er sich zu einer Antwort herablassen würde. Dann ertastete ich den
Griff des Dolches.
    Sein nicht ganz menschliches
und nicht ganz tierisches Gesicht verzerrte sich. »Weil das Leben nicht fair
ist.« Jetzt klang er wie Helen. »Weil ich nicht hätte gebissen werden sollen,
sondern ein Gebürtiger sein sollte. Und weil dein Lucas nicht zum Anführer
taugt.«
    Â»Ich verstehe nicht …«, rief
ich empört, während ich von ihm wegrutschte.
    Jorgen lachte höhnisch. »Und
warum sollte mich das interessieren?« Wieder sprang er mich an.
    Er rammte mich mit voller
Wucht. Ich konnte gerade noch den Dolch in meiner Tasche festhalten, dann
prallte er gegen mich. Die Erschütterung traf meinen Körper wie ein heftiger
Schlag. Der Griff des Dolches bohrte sich in meinen Magen, und mir blieb die
Luft weg, aber die Klinge ragte nach oben. Sie steckte fest.
    In Jorgens Brustbein.
    Â»Runter von mir …« Ich rollte
ihn von mir und ließ den Dolch los, der meine ganze Tasche aufschlitzte, als er
mitgerissen wurde. Dann setzte ich mich auf, umklammerte benommen die
Lederfetzen und sah zu, wie das Blut aus Jorgen heraussprudelte.
    Er versuchte die Klinge
herauszuziehen. Als er sie berührte, folgte ein elektrischer Schlag, und seine
Hand wurde abgestoßen.
    Â»Hol ihn raus …«, flehte er.
    Wenn ich die Waffe jetzt
rauszog, bestand die Chance, dass er sofort heilte und mich erneut angriff.
Aber wenn ich den Dolch nicht mitnahm, ließ ich damit Anna im Stich. Für
Vampire zählten mildernde Umstände nicht.
    Immer noch atemlos hockte ich
mich neben ihn. »Sag mir, warum.«
    Â»Du hast es gesehen … du hast
gesehen, wie ich ihn mit dem Laster überfahren habe.« Jorgen drückte sich die
blutverschmierten Hände auf die Brust.
    Ich hatte nicht gesehen, wer
den Laster gefahren hatte, von dem Winter erfasst worden war … aber Jorgen
glaubte anscheinend das Gegenteil. Weil er der Fahrer gewesen war.
    Aber warum sollte Jorgen Winter
überfahren? War er nicht ein treuer Anhänger der Werwölfe, sogar als
Gebissener? Ich schluckte. Was könnte dafür gesorgt haben, dass sich das
änderte?
    Â»Sag Helen, dass ich sie liebe.
Ich habe sie immer geliebt«, sagte er und streckte mir flehend eine
blutverschmierte Hand entgegen, bevor er sie zu Boden sinken ließ.
    Â»Warum hast du ihn überfahren,
Jorgen?« Der Wolfsmann antwortete nicht. »Jorgen?« Ich unterdrückte den Impuls ihn
zu schütteln, um ihn wieder wach zu kriegen. Er hatte verdammt viel Blut
verloren und seine Atmung war flach.
    Ich konnte ihn mit diesem Dolch
töten. Zustechen und seine Eingeweide in Fetzen schneiden. Aber ich wusste, wie
sich eine Stichwunde im Bauch anfühlte. Das brachte ich nicht über mich.
Zitternd stand ich auf.
    Â»Wehe, du verfolgst mich, wenn
du wieder aufstehen kannst.« Ich bückte mich, packte den Dolch und ging zu der
wartenden Limousine.
    Auf dem Weg zur
Limousine trat ich auf meinen Krankenhausausweis. Ich fischte ihn aus dem
Matsch und steckte ihn samt Umhängeband in die Tasche, bevor ich den Wagen
bestieg.
    Das Blut an meiner Kleidung
stammte größtenteils nicht von mir, aber meine Fingerknöchel und mein
Oberschenkel pochten schmerzhaft. Die Heizung in der Limousine lief, der
Schlüssel steckte, also startete ich den Motor und fuhr los.
    Der Wagen hatte ein
Navigationssystem, und der Fahrer – der nun tot und angenagt auf dem Parkplatz
vor meinem Haus lag – war so freundlich gewesen, das nächste Fahrziel schon mal
einzugeben.
    Das Ding fuhr sich wie ein
Schiff. Zum Glück war

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