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Visite bei Vollmond

Visite bei Vollmond

Titel: Visite bei Vollmond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cassie Alexander
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Sie
mir gleich eine Ausgabe des Wachtturm in die Hand drücken?«
    Er zuckte sichtlich zusammen
und zupfte an seinem Ärmel. »Ich hatte noch keine Zeit für Shopping, seit ich
hier angekommen bin. Da waren die Kämpfe, die Führung meines neuen Rudels,
meine Familie, und jetzt der Wachdienst für Sie. Eigentlich hat den Tag über
sogar jemand anders auf Sie aufgepasst, damit ich schlafen, duschen und das
hier aus den Tiefen meines Koffers ziehen konnte. Das hatte ich das letzte Mal,
glaube ich, auf einer Beerdigung an. Und jetzt, wo ich das laut gesagt habe,
klingt das doch ziemlich morbide.« Er trat zur Seite, damit ich an ihm
vorbeigehen konnte. »Wo sollen wir denn essen?«
    Normalerweise hätte ich ihm die
Entscheidung aufs Auge gedrückt, aber er war schließlich neu in der Stadt, und
für jemanden, der angeblich nur Lügen verbreitete und mich vielleicht sogar
umbringen wollte, schien er sich in seinem alten Anzug erfrischend unwohl zu
fühlen. Also erbarmte ich mich seiner: »Ein Stück den Freeway runter gibt es
einen Burgerladen, ist wirklich nicht weit weg. Falls Sie keine Angst haben,
sich das Hemd mit Ketchup zu versauen.«
    Â»Klingt doch gut.«
    Nachdem wir uns angeschnallt
hatten und losgefahren waren, stellte ich meine Frage: »Was gibt es Neues von
Viktor?«
    Lucas schüttelte den Kopf. »Wir
haben ihn noch nicht erwischt, suchen aber weiter.«
    Â»Nicht gerade von der schnellen
Truppe«, murmelte ich vor mich hin. Obwohl ich mir gar nicht mehr so sicher
war, ob ich überhaupt wollte, dass sie Viktor fassten. »Welche Geschichte steckt
eigentlich dahinter?«
    Â»Das Rudel seines Vaters und
das meines Onkels haben Krieg geführt um ein Revier. Nicht als Menschen,
sondern als Wölfe; bei jedem Vollmond kam es zu wirklich grausamen Kämpfen.
Irgendwann drohten sie, uns auch in menschlicher Form anzugreifen. Mein Onkel
und Fenris Senior riefen einen Waffenstillstand aus, auch Viktors Vater ließ
sich darauf ein und die drei zogen sich zu Verhandlungen zurück. Winter verließ
als Einziger lebend das Verhandlungszimmer.«
    Â»Nehmen Sie die Ausfahrt. Und
sehen Sie das Schild da vorne? Da wollen wir hin.« Lucas setzte nickend den
Blinker. »Denken Sie, Winter ist absolut glaubwürdig?«
    Â»Sie meinen, ob ich denke, er
hätte seinen eigenen Sohn getötet und dann gelogen, um an der Macht zu
bleiben?«
    Â»Schätze schon.«
    Ich konnte quasi hören, wie die
Rädchen in seinem Gehirn arbeiteten, bevor er antwortete. »Es gab Gerüchte, ja.
Er ist der Bruder meines Vaters. Er muss es zumindest in Erwägung gezogen
haben.«
    Â»Das ist krass.«
    Â»Sie sollten mal meinen Vater
kennenlernen.« Für einen Moment verkrampften sich seine Hände am Lenkrad.
    Â»Hätten Sie genauso gehandelt,
wenn Sie an seiner Stelle gewesen wären? Wenn es notwendig gewesen wäre?«
    Lucas riss so abrupt den Kopf
hoch, als hätte ich ihn geschlagen. »Nein. Oder zumindest hoffe ich das.« Er
warf mir einen Seitenblick zu. »Die Führung eines Rudels … man sagt, das
verändert einen. Aber Winter war schon immer ein Mann voller Wut. Diese zwei
zusätzlichen Jahrzehnte des Hasses halten ihn jetzt wahrscheinlich gerade am
Leben.«
    Die Ampel wurde grün, und Lucas
bog ab, bevor er fortfuhr: »Ich weiß nicht, was damals in diesem Zimmer
passiert ist. Ich weiß allerdings, was danach geschehen ist. Winter hat
behauptet, Viktors Vater hätte Fenris Senior angegriffen und getötet, und wir mussten
ihm glauben. Wir haben die hochrangigen Wölfe ihres Rudels getötet und die
anderen gezwungen, sich uns anzuschließen. Viktor war damals erst zehn, jünger
als Fenris Junior heute. Deswegen haben wir ihn am Leben gelassen. Als
symbolische Friedensgeste – mit einer zerbrechlichen Galionsfigur.«
    Â»Inzwischen nicht mehr ganz so
zerbrechlich.«
    Â»Stimmt. Nicht, wenn er Sie
angreift.« Das fröhliche, orange Neonlicht des Burgerladens beschien unseren
Weg, während wir parkten. Neben uns hielt ein Wagen, aus dem laute Bässe
dröhnten; normale Menschen mit normalen Leben. Lucas zog die Handbremse an und
drehte sich dann zu mir um. »Sie sind nicht die Einzige heute, die Fragen hat,
Edie.«
    Â»Wie schön.« Vielleicht fanden
wir beide ja ein paar Antworten.
    Ich stieg aus und ging um den
Wagen herum. Lucas hielt mir galant die Tür zum

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