Vita Nuova
besser als heute. Guarnaccia hat uns informiert, dass Paoletti die nächsten vierundzwanzig Stunden im Krankenhaus bleibt, Blutuntersuchungen und so … Es ist von höchster Wichtigkeit, dass wir überall zum gleichen Zeitpunkt zuschlagen … Ja. Ja. Ich glaube nicht, dass er uns dieses Mal entwischen wird … Nein, Herr Oberstaatsanwalt … Ah, ja, sehr schön, das sind gute Neuigkeiten. Das wird uns weiterhelfen. Ich sage es ihm sofort … Ja, um drei Uhr hier. Auf Wiederhören, Herr Oberstaatsanwalt.«
Der Maresciallo wappnete sich. Das Telefonat hatte sich recht vielversprechend angehört; geduldig wartete er darauf, dass der Capitano ihm endlich verriet, was der Oberstaatsanwalt gesagt hatte.
Der spannte ihn nicht unnötig auf die Folter.
»Ich weiß, was Sie als Erstes hören wollen: Der neue Staatsanwalt ist der, auf den Sie gehofft hatten.«
»Schön. Sehr schön. Der Mann war früher Jugendrichter, und bestimmt wird er sich auch nach der Verhandlung für die beiden Mädchen einsetzen. Er hat noch immer die entsprechenden Kontakte, und außerdem ist er ein guter Mann. Die Kinder sind ihm wichtiger als Fernsehkameras.«
»Und Sie können bei den Ermittlungen nach dem Mörder weiter Wasser treten, ohne Verdacht zu wecken?«
»Ja, kein Problem. Offiziell suche ich nach dem ehemaligen Gärtner, Antonino Melis. Es kann mich schon noch ein bis zwei Tage kosten, bis ich sämtliche Unterlagen zusammenhabe, die das beweisen, was ich bereits nach ein paar simplen Telefonaten in Erfahrung gebracht habe.«
»Und das wäre?«
»Dass er seit fünfzehn Monaten in Haft ist.«
»Aber der Staatsanwalt wird doch gleich wissen, dass Sie das in null Komma nichts hätten herausfinden müssen.«
»Nein, keine Sorge. Paoletti hat mir nur den Namen gegeben, keinen Aufenthaltsort, kein Geburtsdatum, nichts weiter.«
»Wie haben Sie ihn dann so schnell in der Datenbank ausfindig machen können? Ich würde doch annehmen, dass das einer der häufigsten Namen in Sardinien ist.«
»Ja, schon. Aber Paoletti hat nur einmal gesessen. Und genau da haben die beiden sich getroffen. Auf der Wache, wo Paoletti festgenommen worden ist, gab es noch Unterlagen, er saß in Sollicciano in U-Haft. Und zu dieser Zeit gab es nur einen einzigen Antonino Melis dort. Ich bin den indirekten Weg gegangen und musste ein paar Verbindungen spielen lassen, aber … Na ja, und außerdem …«
»Was?«
»Ich habe schon einmal mit De Vita zusammengearbeitet, er weiß, dass ich nicht gerade der Schnellste bin.«
Capitano Maestrangelo lächelte, ein flüchtiges Lächeln zwar, aber ein Lächeln.
»Dieser Melis bringt Sie in Ihren Ermittlungen also kein Stückchen weiter? Sie benutzen ihn nur, um den Staatsanwalt hinzuhalten?«
»Ich glaube schon. Zum einen ist er so alt wie Paoletti. Ich hatte mir einen schmucken, jungen Mann vorgestellt. Das wäre ein explosiver Mix, wenn man bedenkt, dass er seine Töchter praktisch unter Verschluss hält … Aber nein. Nein, nein. Eines allerdings interessiert mich schon, und sobald ich ein bisschen Zeit habe, werde ich ihn danach fragen.«
»Und das wäre?«
»Er ist Paoletti wieder losgeworden, er hat das geschafft, was nicht einmal unser Staatsanwalt fertigbringt.«
»So sind sie halt, die Sarden: Man kann sie brechen, aber nicht beugen.«
»Wie wahr, wie wahr.«
Der Maresciallo wartete. Sie hatten mit Don Antonio gesprochen, er war auf die Ankunft der Frauen vorbereitet. Die Organisation der Razzien in Paolettis Villa, dem Club und dem Hotel morgen, die alle zum selben Zeitpunkt gestartet werden würden, lag in der Hand eines anderen, und so brauchte er nicht weiter darüber nachzudenken. Nur das Bewusstsein der geschäftigen Vorbereitungen um ihn herum ermöglichte ihm, ruhig und still im Zentrum auszuharren, zu beobachten und zuzuhören, in seinem Büro beim Telefonieren, im Dienstwagen in der Einfahrt der Villa, in der beklemmenden Umgebung der Küche, wo Danuta und Frida mit Gummihandschuhen, Eimer und Schrubber die Treppe hinauf- und hinunterwieselten. Je stiller und ruhiger er wurde, umso mehr Dinge offenbarten sich ihm, wichtige und unwichtige, Eindrücke, Details, Bilder. Er versuchte erst gar nicht, sie zu ordnen, sondern speicherte sie einfach nur in seinem Kopf ab.
Zum Beispiel hatte er bemerkt, dass Danuta, die er zunächst kaum von Frida unterscheiden konnte, weil sie beide jung, schlank und völlig unauffällig waren, auf einem Auge leicht schielte, ein kleiner Schönheitsfehler, der sie
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