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Vittorio

Vittorio

Titel: Vittorio Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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das geschah.
    Eine ganze Schar junger Teufelsanbeter erschien in ihrer Verkleidung als Messdiener. In ihren übernatürlich starken Händen trugen sie ein prachtvolles Taufbecken aus dunkelrosa Carrara-Marmor. Sie stellten es etwa drei Meter von dem Altargitter entfernt auf.
    »Ach, wie abscheulich, dass es so schön ist!«, flüsterte ich.
    »Still, mein junger Freund«, sagte meine aristokratische Wache. »Schau lieber gut hin, denn was du hier siehst, wirst du zwischen Himmel und Erde nie wieder zu Gesicht bekommen, und da du bald ohne Beichte vor Gott stehen wirst, musst du auf ewig in Finsternis und Höllenfeuer brennen.«
    Es hörte sich an, als glaubte er das wirklich.
    »Ihr habt nicht die Macht, meine Seele der Verdammnis anheim zu geben«, flüsterte ich. Ich versuchte vergeblich, den Schleier vor meinen Augen zu durchdringen, wollte nicht von ihren stützenden Händen abhängig sein, obwohl mir die Schwäche, die die Ursache dafür war, beinahe lieb geworden war.
    »Ursula, leb wohl«, hauchte ich und spitzte meine Lippen zu einem Kuss. Doch in diesem magischen, intimen, winzigen Augenblick sah ich, wie sie, anscheinend von der restlichen Gemeinde unbemerkt, den Kopf mit einer kaum merklichen verstohlenen Geste der Verneinung schüttelte. Niemand sonst sah es, denn alle Augen hatten sich nun auf ein neues Schauspiel gerichtet, das um vieles tragischer war als die überwachten, inszenierten Rituale, die wir gesehen hatten.
    Angetrieben von dämonischen Dienern in roten Gewändern, deren Spitzenärmel mit Rot und Gold eingefasst waren, schoben sich die armen, elenden Gestalten den Mittelgang empor, die verlorenen Seelen aus der Hürde -
    schlurfende alte Frauen, betrunkene Männer und kleine Jungen, Kleinkinder noch, die sich an die dämonischen Gestalten klammerten, die sie dem Tode entgegenführten wie die bemitleidenswerten Opfer eines alten Rechts-brauchs, wo die Kinder der Verurteilten zusammen mit ihren Eltern zur Hinrichtung gebracht wurden. Wie grauenvoll!
    »Seid alle verflucht. Ich verfluche euch. Gott, lass einmal Deine Gerechtigkeit hier walten«, flüsterte ich. »Gott, schenke uns Deine Tränen. Weine für uns, Christus, weil dies geschehen kann!«
    Ich verdrehte die Augen. Mir war, als träumte ich, und wieder erschien die frische grüne Wiese vor meinen Augen, und gerade als Ursula vor mir davonlief und ihre lebhafte junge Gestalt über das unter ihren Füßen nach-gebende Gras, die abknickenden Iris-Blüten dahineilte, erhob sich vor mir wieder ein Wesen, ein mir vertrautes Wesen ...
    »Ja, ich kann dich sehen!«, rief ich dieser Erscheinung im Halbtraum zu. Aber in dem Moment, als ich sie erkannt, mich auf sie fixiert hatte, verschwand sie. Sie war weg und mit ihr auch jedes rationale Verstehen, jegliche Erinnerung an das edle Antlitz, die hehre Gestalt und ihre Bedeutung, an ihre reine, überwältigende Bedeutung. Die Worte verließen mich.
    Ich sah, wie der Fürst Florian erzürnt und stumm he-raufblickte. Die Hände, die mich hielten, gruben sich in mein Fleisch.
    »Still!«, sagten meine Wächter wie aus einem Munde.
    Die erhebende Musik schwoll immer lauter an, als wollten mich die in höchste Höhen ansteigenden Soprane und die dröhnenden Hörner mit ihren verschlungenen Melodien zum Schweigen bringen und nur diesem unheiligen Taufakt ihren Tribut zollen.
    Die Taufe hatte begonnen. Das erste Opfer, eine uralte Frau, die krumm und gebeugt war, hatte man ihrer ärmlichen Lumpen entledigt und wusch sie nun, indem man mit den Händen Wasser aus dem Becken über sie goss.
    Dann wurde sie zum Altargitter geführt. Ach, wie gebrechlich sie war und so völlig allein gelassen, ohne Angehörige, ohne ihre Schutzengel!
    Ach, und nun mit zu verfolgen, wie die kleinen Kinder entkleidet wurden, die zarten kleinen Beinchen und nackten Popos, die winzigen Schulterblätter, die aussahen, als sprössen dort die Flügel kleiner Engelchen, Zeuge zu werden, wie sie gewaschen und weitergereicht wurden, bis sie zitternd in einer Reihe vor der marmornen Balustrade standen.
    Alles ging sehr schnell.
    »Nein, nicht dem luftigen Element verhaftete Dämonen seid ihr, ihr seid verfluchte Tiere und nichts anderes!«, murmelte ich vor mich hin, während ich mich im Griff der beiden widerlichen Lakaien wand. »Ja, feige Lakaien seid ihr beide, dass ihr teilhabt an diesem sündigen Tun!«
    Im Aufrauschen der Musik gingen meine Gebete unter.
    »Lieber Gott, sende meine Engel zu mir«, flehte ich in meinem tiefsten

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