Vittorio
wir sind bei dir.«
»Ich weiß nicht so recht, ich weiß es nicht!«, wandte Ramiel abermals ein. »Filippo ist noch nie zuvor in einer solchen Klemme gewesen, noch nie zuvor war er einer solchen Versuchung ausgesetzt, einer solchen Erniedrigung ...«
»Weshalb wir nun abberufen worden sind, damit wir uns nicht in das einmischen, was Filippo widerfahren soll. Wir wissen doch, dass wir kurz davor standen, in große Schwierigkeiten zu geraten wegen Filippo und seiner Taten. Ach, Filippo! Jetzt wird es mir klar, jetzt erkenne ich den zu Grunde liegenden Plan.«
»Wovon sprechen sie?«, wollte ich von den Männern wissen. »Sie sagen etwas über Fra' Filippo.«
»Ach, wer sollte denn da reden, wenn ich fragen darf?«, sagte der Alte kopfschüttelnd, während er mich die Stra-
ße entlangführte, mich, den jugendlichen Wahnsinnigen mit dem klappernden Schwert, den er in seine Obhut genommen hatte.
»Sei jetzt still, mein Junge«, sagte der andere Mann, der die schwerere Last an mir zu tragen hatte. »Wir verstehen deine Worte nun zwar sehr gut, aber dafür redest du unvernünftiger als zuvor. Jetzt sprichst du schon mit Leuten, die gar nicht da sind.«
»Fra' Filippo, den Maler meine ich, Was ist mit ihm?«, drängte ich. »Da gibt es doch Schwierigkeiten.«
»Ach, es ist nicht auszuhalten«, sagte der Engel Ramiel in meinem Rücken. »Es ist undenkbar, dass das geschehen sollte. Und wenn man mich fragt, was aber keiner tut, dann glaube ich, dass Cosimo de' Medici seinen Maler davor bewahren würde, wenn Florenz nicht mit Venedig im Krieg läge.«
»Aber vor was denn bewahren?«, wollte ich wissen. Ich sah dem Alten direkt in die Augen.
»Sohn, gehorch mir«, sagte der Alte nur, »geh aufrecht und lass dein Schwert nicht ständig gegen meine Seite stoßen, ich sehe auch so, dass du ein echter Signore bist, und der Name Raniari klingelt mir in den Ohren, so laut hallt er aus den fernen toskanischen Bergen! Und das Gold an deiner rechten Hand allein wiegt mehr als die Mitgift meiner beiden Töchter zusammen, ganz zu schweigen von den Juwelen. Aber hör auf, mich anzu-schreien!«
»Es tut mir Leid. Es war keine Absicht. Es ist nur so, dass die Engel mir nichts Genaues sagen wollen.«
Der zweite meiner freundlichen Begleiter, der mir ohne den geringsten Versuch, mich zu bestehlen, beim Tragen der kostbaren Satteltaschen behilflich war, setzte zum Sprechen an:
»Wenn es um Fra' Filippo geht - der steckt bis zum Hals in Schwierigkeiten. Man will ihn der Folter unterziehen. Er liegt auf der Streckbank.«
»Nein, das kann nicht sein, nicht Filippo Lippi!« Ich blieb ruckartig stehen und rief: »Wer würde das einem so gro-
ßen Maler antun?«
Ich drehte mich nach den beiden Engeln um, die jäh ihre Gesichter verbargen, mit den gleichen zarten Gesten, wie ich sie bei Ursula gesehen hatte, und dann begannen sie zu weinen. Ihre Tränen waren wie schimmernde Kristalle vollkommen klar. Sie schauten mich nur an. Ach, Ursula, dachte ich schmerzlich, wie schön sind diese Geschöpfe, und in welch einer Gruft schläfst du nun unter dem Hofe vom Blutroten Gral, dass du sie nicht sehen kannst, nicht sehen kannst, wie sie sich still und geheimnisvoll durch die Straßen bewegen?
»Es stimmt«, sagte Ramiel nun, »es ist die schreckliche Wahrheit. Was waren wir für Hüter, dass Filippo sich in solche Schwierigkeiten bringen konnte mit seiner Streit-sucht und seinen Betrügereien? Und warum sind wir so hilflos?«
»Wir sind nur Engel«, sagte Setheus. »Ramiel, wir dürfen Filippo nicht anklagen: Wir sind keine Ankläger, wir sind Hüter, und um des Jungen willen, der ihn liebt, sage solche Dinge nicht.«
»Sie können doch Fra' Filippo nicht foltern«, rief ich aus.
»Wen hat er denn betrogen?«
»Er hat sich das ganz allein zuzuschreiben«, erklärte der Alte. »Er hat jemanden betrogen. Er hatte einen Auftrag und hat die Arbeit verkauft, aber jeder weiß, dass einer seiner Gehilfen den größten Teil davon gemalt hat. Deshalb haben sie ihn auf die Streckbank gespannt. Aber man hat ihm keine allzu großen Schmerzen zugefügt.«
»Keine allzu großen Schmerzen?! Er ist ein so großartiger Maler!«, ereiferte ich mich. »Ihr sagt mir, sie foltern ihn? Warum überhaupt, wie kann man eine solche Dummheit überhaupt rechtfertigen, eine solche Beleidigung; es ist eine Beleidigung für die Medici.«
»Still, Kind, er hat gestanden«, mischte sich der jüngere Mann ein. »Er hat es schon so gut wie überstanden. Das ist mir
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