Vivere Militare Est - Leben heißt zu kaempfen
… geh ihm aus dem Weg. Er gilt als stets schlecht gelaunt.«
»Blutlinie?«
»Blutlinie!«, seufzte Emilia.
»Die Kandidatin hat hundert Gummipunkte«, jubelte ich. Nur noch zwei und dann konnte ich ENDLICH in Elias Arme fallen. Ob es Ana wieder besser ging? Ich verschob die Gedanken beim Anblick des vorletzten Bildes. Ein brünetter Vampir mit Pottschnitt, wie meine Mutter gesagt hätte. In der Tat sah es aus, als hätte man ihm einen Topf über den Kopf gestülpt und dann einfach alle Haare, die überstanden, abgeschnitten. Sein Gesicht war nicht vielsagend, zwar schön wie jedes Vampirgesicht, aber nicht auffallend.
»Wilhelm.«
»Wow, mal ein Name, den man sich merken kann! Meinst du, ich darf ihn Willy nennen?«
»Nicht, wenn du willst, dass er dich wie Biene Maja zerquetscht.«
Ich schüttelte den Kopf.
»Keine Sorge, er gilt als sehr schlau und ist recht umgänglich. Er hasst allerdings die neue Zeit, also solltest du vielleicht dein Handy ausschalten und es irgendwo tragen, wo er es nicht sieht.«
»Okay.«
»Trage am besten auch keine Armbanduhr.«
»Ohweia, okay.« Am besten, ich ging eingewickelt in Felle, wobei mich dann Valeska hassen würde. Hey, ich hatte es behalten! Ich schlug mir gedanklich selbst auf die Schulter.
Das letzte Bild zeigte einen Vampir mit blondem, kurzem, gelocktem Haar. Er hatte ganz dünne Lippen und eine Nase, um die ich ihn nur beneiden konnte.
»Morten, der Kalte. Er unterstützt Kayleigh in ihrem kriegerischen Bestreben und man munkelt, dass er das nur tut, weil er in sie verliebt ist. Seine Blutlinie hat ihm den Platz als Ratsmitglied gesichert. Seinen Beinamen hat er übrigens dank seiner Stimme. Sie soll eisigkalt sein, wie der Wind in der Antarktis.«
»Hast du ihn noch nie sprechen gehört?«
»Nein.« Emilia starrte auf ihre nun leere Mappe. »Ich habe dir alles auf der Rückseite der Bilder notiert, damit du es dir heute Abend oder morgen früh noch einmal ansehen kannst. Hast du die Verhaltensregeln, die dir Heinrich damals erklärt hat, noch präsent?«
»Ja, das Wichtigste war: Halts Maul und sprich nur, wenn du gefragt wirst.«
Emilia lachte und legte eine kühle Hand über meine. »Dir den Mund zu verbieten würde Elias nicht gerne sehen. Sprich, wenn dir etwas auf dem Herzen liegt, denn zu guter Letzt siegt die Weisheit in den Urteilen der Ältesten.«
»Ich kriege das schon irgendwie hin«, sagte ich und lehnte mich zurück in den Sessel.
Die Vampirin gab mir ihre Mappe und ich verstaute die Bilder darin. »Da bin ich mir sicher.« In ihren Augen konnte ich lesen, dass sie die Wahrheit sagte. Sie glaubte an mich! Emilia war mir, ähnlich wie Roman, manchmal ein Rätsel. Ich hatte eine Heidenehrfurcht vor ihr, vielleicht weil sie schon so alt war.
»Wie hast du eigentlich Roman kennengelernt?« Die Frage war mir durch den Kopf geschossen und hatte den direkten Weg nach draußen gefunden.
Die Vampirin lehnte sich zurück und ihre Augen schweiften weit, weit weg in eine ganz andere Zeit. »Es war im Jahre des Herrn 1824. Karl X. war gerade König von Frankreich und Navarra geworden und ich war auf der Jagd in den Wäldern nordöstlich von Bordeaux, im heutigen Departement Gironde.« Sie lächelte. »Ich weiß nicht, ob da heute überhaupt noch Wald ist. Vermutlich musste er den Städten weichen.«
Ich kuschelte mich in den Sessel und schloss meine Augen, um ihrer wunderschönen Stimme zu folgen.
»Ich hatte bereits einen Jäger gefunden und war fast satt, als ich plötzlich Blut roch.« Sie seufzte. »Natürlich folgte ich dem Geruch und fand Roman, wie er sich gerade an einer Kräutersammlerin labte. Er sah auf und blickte mir direkt in die Augen.« Emilia schwieg eine Weile. »Ich hatte fast zweitausend Jahre damit verbracht, auf Liebe zu hoffen und als sie mir ins Gesicht sah, erschrak ich zu Tode.«
Ich öffnete meine Augen und zog die Augenbraue hoch.
»Ich hatte doch keine Ahnung, wie sich das anfühlt und da hockte er, mit seinen großen, treuen Augen und sah mich einfach nur an, den Mund noch immer am Arm dieser Frau.«
»Wie kann man so lange ohne Liebe aushalten?«, sinnierte ich.
»Nicht ohne Liebe«, verbesserte sie mich. »Meine Eltern liebten mich und ich sie. Ich liebte die Musik, den Tanz und die Natur. Aber das alles kann dir nun mal nicht die Liebe eines Gefährten ersetzen.«
»Was geschah dann?«, drängte ich auf sie ein.
»Er hob seinen Kopf und sprach mich an. Seine Stimme drang mir durch Mark und Bein … noch
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