Vögelfrei
aus wabernden, amorphen Formen bestand, und in der gerade drei Sonnen auf- oder untergingen, fand ich schließlich - mich selbst. Mein Porträt war mit wenigen Strichen ziemlich gut getroffen und wie die anderen Mädchen ausgestattet mit tellergroßen Stauneaugen, einem Hemdchen, das von den riesigen Brüsten fast gesprengt wurde und unter dem ein winziger weißer Slip hervorlugte. Die Haare zu einer antiken Flechtfrisur aufgetürmt, stand ich mit Tränen in den Augen und gefesselten Händen vor einem riesigen Roboter, der mich mit einem menschlichen Gesicht verhöhnte und mit einer Art Schraubzwinge auf mich zielte. Wahrscheinlich war
sie elektrisch aufgeladen, denn eine zackige Linie umgab sie und machte Ksssksssksss .
»Das ist die Prinzessin«, sagte Leander, knotete seinen Kimono zu und warf sein Handtuch über einen Sessel. Er tippte auf mein Comic-Ich. »Sie wird gerade von ihrem Heimatplaneten verbannt und muss jetzt dem Schrecklichen Herrscher des Mondes das Feld überlassen und allein durch die Galaxie reisen.«
Im nächsten Bild sah man den Schrecklichen Herrscher des Mondes sehr schrecklich lachen. Seine Augen waren dunkel umschattet und sein Schnauzbart so buschig, dass man die Oberlippe nicht erkennen konnte. Er sah ein bisschen aus wie Samir, fand ich.
»Wieso wird sie verbannt?«, fragte ich. »Hat sie mit dem Tragen von winziger Micro-Unterwäsche gegen ein Gesetz verstoßen?« Leander drehte ein drittes Blatt zu mir um. »Das muss ich mir noch ausdenken. Jedenfalls bekommt sie zwei treue Gefährten für ihre Reise.«
»Toll, Tweety und der Bärenmarkenbär, die werden ihr was nützen im Weltraum.«
Leander ignorierte meinen Kommentar und griff nach zwei weiteren festgepinnten Bögen. »Der eine ist ein treuer Krieger, der sich tagsüber in einen Bären verwandeln muss. Das andere Wesen ist halb Mädchen, halb Vogel, eine Späherin.«
Ich sah mir das Dreamteam an. In einer Mondlichtsequenz brummte der Bär markerschütternd; er krümmte und schüttelte sich und stand schließlich als nackter Krieger vor einem Raumschiff, eine Hand noch als Bärentatze auf die Einstiegsluke gelegt.
»Du hast Gemmas Profil gut getroffen«, sagte ich und wunderte mich, warum mir nie aufgefallen war, dass sie wirklich wie eine Kriegerin aussah. Das Vogelmädchen hatte Leanders Züge und war schmal und durchscheinend. Man konnte die Landschaft durch ihren Körper hindurch erkennen. »Wie geht es weiter mit der Prinzessin?«
»Ihre Welt soll in eine Maschine verwandelt werden, die andere Welten frisst. Sie wird versuchen, es zu verhindern, aber erst mal muss sie weg.« Er zeigte mir eine Zeichnung, auf der die Prinzessin mit immer noch schreckgeweiteten und tränenschwimmenden Insektenaugen im Cockpit saß und den Steuerknüppel zwischen den Beinen hielt.
»Hoffentlich hat sie einen Ersatztanga mitnehmen dürfen«, sagte ich, »denn wenn sie den Knüppel weiter so hält, ist der Slip hier bald durchgescheuert.«
Leander nickte und sah das Blatt so ernst an, dass ich mich wunderte. »Ich weiß es noch nicht genau«, erklärte er schließlich, »ob es Fantasy bleibt oder ein Mangasutra wird. Diese versauten Geschichten mit fliegenden Röckchen und bebenden Riesennippeln, die sind gleichzeitig obszön und niedlich, da findet man immer wieder irre Sachen. Schulmädchen mit Zöpfen entpuppen sich als großschwänzige Zwitter, Dämonen werden in alten Kirchen gefickt oder Männer von riesigen Frauenfüßen zertrampelt. In den Mutant Love Comics gibt’s Mädchen mit drei oder mehr Brüsten, Augen am Hintern oder Mösen an den unglaublichsten Stellen. Dabei sind sie witzig und machen sich darüber lustig, dass alle hinter dem nächsten großen Thrill herhecheln. Gleichzeitig
sind sie auch sehr melancholisch und gnadenlos kitschig. Ich mag das. Aber«, er stockte und nahm wieder das Blatt mit dem Steuerknüppel, »ich weiß nicht, was die Prinzessin mag.«
»Sie möchte bestimmt noch mehr Steuerknüppel halten«, sagte ich, »wer solche Slips trägt, die sich so in jede Ritze klemmen, der will das. Da könntest du eigentlich noch ein Smotsch drüberschreiben. Oder du verbindest ihre Klitoris mit der Bordelektronik, und sie speist ihre kleine fliegende Untertasse mit spaciger Muschi-Energie.«
Wir hatten uns mittlerweile auf dem Boden ausgebreitet. Gegen dicke Kissen gelehnt sahen wir uns die Bögen an, die um uns herumlagen. Er erzählte mir, wie er zu den Comics gekommen war, wie er erst berühmte Mangas kopiert und
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