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Vögelfrei

Titel: Vögelfrei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sophie Andresky
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»war, dass die Polizei so schnell vor Ort war, schneller als die Feuerwehr oder die Krankenwagen. Das andere, was mir in den nächsten Tagen immer wieder durch den Kopf ging, war die Ankündigung des Polizisten, ich würde eine Anzeige wegen des Betreibens eines illegalen Swingerclubs bekommen. Ich meine, woher wusste er, dass ich noch keinen Gewerbeschein und das ganze Zeugs hatte?«
    Alle bis auf die beiden links neben mir sehen mich erwartungsvoll an.
    »Ich dachte schon, das würde eine X-Akte werden, aber dann hat mir jemand erzählt, dass er am Rand des kleinen Parks, schräg gegenüber von Sophias Villa, auf einer Bank gesessen hat. Ganz in seiner Nähe habe jemand mit dem Handy telefoniert, kurz bevor das ganze Drama losgegangen sei.«
    Hilde steht so heftig auf, dass ihr Stuhl nach hinten umfällt. Sie ist kreidebleich, und ihre Hände zittern.
    »Ich habe das Haus nicht angezündet«, empört sie sich. »Ich bin keine Brandstifterin.«
    Ich tätschle ihr die Hand. »Nein, Hilde, du bist nur eine Petze. Du hast irgendwie vom Treibhaus gehört und
mich bei der Polizei angeschwärzt, weil du sehr richtig vermutet hast, dass das Ganze illegal war. Vielleicht wolltest du auch nur ein bisschen Ärger machen und uns die Stimmung verderben, indem du uns die Polizei auf den Hals hetzt. Das nehme ich dir ja auch gar nicht übel.« Ich stehe jetzt auch auf, damit ich ihr auf Augenhöhe ins Gesicht sehen kann. Meine Stimme wird kühler. » Was ich dir aber übelnehme, ist Folgendes: Du hast genau gesehen, wer der Brandstifter war. Und obwohl du wusstest, dass ich es nicht sein konnte, hast du der Polizei nichts gesagt und sie in ihren Verdächtigungen sogar noch bestärkt. Es war nicht nett von mir, dass ich einfach von dir weggelaufen bin, und es tut mir auch leid, wie sich alles zwischen uns entwickelt hat, aber mit dieser Aktion, Hilde, sind wir quitt.« Ich wiederhole es noch mal ganz ruhig: »Wir sind quitt.«
    Hilde atmet tief durch. Hinter dem Berg aus Scham, entlarvt worden zu sein, dem Ärger, dass ich sie bloßstelle, der Trauer des Verlassenwerdens und all den anderen widersprüchlichen Gefühlen scheint sie verstanden zu haben. Wir haben uns beide nichts mehr vorzuwerfen. Es ist vorbei. Sie nimmt ihre Handtasche und verlässt mein Haus.
    Gemma applaudiert geziert, als wäre sie eine Rokokodame in der Opernloge. »Bravissimo«, sagt sie und fährt dann mit einer Art Miss-Marple-Stimme fort: »Bleibt die Frage, wer der Beobachter auf der Parkbank war? Was machte er zu nächtlicher Zeit dort, und vor allem: Wer hat das Treibhaus tatsächlich angezündet?«
    »Leander«, sage ich, »Leander saß auf der Bank. Nur seinetwegen leben wir alle noch.«

7
    LEANDER
    KAFFEE:
     
    Espresso con leche
mit Schokoladentrüffeln
     
     
    Der Espresso ist durch die Milch hellbraun und schmeckt mild und irgendwie tröstlich. Die Trüffel sind die gleichen, die wir auch im Treibhaus serviert haben. Eine Chocolaterie in Brüssel macht sie exklusiv für uns. Es ist eine besonders dunkle Schokolade, mit einem Hauch von Chili. Leander hat mir mal gesagt, sie seien das Erotischste auf der ganzen Party gewesen, von mir natürlich abgesehen.

    Das ganze Treiben hatte Leander nicht sonderlich angemacht, also verließ er die Party früh und saß noch eine Weile auf der Parkbank schräg gegenüber von Sophias Villa, wo ich ihn schließlich traf, als der Polizist mich endlich gehen ließ.
    Hustend setzte ich mich neben ihn und beobachtete die Löscharbeiten. Ich hielt die Decke des Sanitäters auf den Knien und umklammerte die Holzschatulle, in die ich auch die Maske gepackt hatte. Meine Augen tränten,
in meinem Kopf fühlte es sich an wie beim Schleudergang einer Waschmaschine, und ich hatte Brechreiz. Ich kniff die Augen zusammen, um besser sehen zu können, rutschte auf der Bank ein Stückchen tiefer und lehnte den Kopf an. Plötzlich musste ich würgen und erbrach mich krampfhaft. Danach saß ich keuchend und hustend da, bis die Feuerwehr abzog.
    Die Fenster von Sophias Wohnung waren gesprungen und rundherum von Ruß eingerahmt, wie kajalverschmierte Augen in einer Häuserwand. Meine Haare hingen mir wirr ins Gesicht, die langen Strähnen vorn waren versengt. Jetzt erst merkte ich, dass ich meine Flügel immer noch trug. Ich schnallte sie ab und stopfte sie neben der Bank in einen Papierkorb. Das Schlimmste war der Gestank. Der beißende Brandgeruch hatte sich in der Kleidung, den Haaren und in meiner Haut festgesetzt.
    Ich drehte

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