Vogelfaenger
Tierquäler.« Ich bücke mich zu meinem Rocky hinunter und verspreche ihm feierlich-kämpferisch, dass ich jeden in einen Eimer stecken und im Fluss versenken würde, der es wagen sollte, ihm etwas zu tun.
Ida lacht. »Da mache ich mit!«
»Rocky, Ida und Nele«, rufe ich und hopse übermütig über den Strand, »wir sind die Besten, Stärksten und Süßesten!«
»Und Fettesten!«
Rocky bestätigt das mit freudigem Gebell.
»Ja, das findest du auch, Kleiner, ne? Dass wir dick sind! Dick und fett und hässlich und …«
»Ida, hör auf!« Ich lache, steuere auf unser Zelt zu und stutze. »Ich hatte doch den Reißverschluss zugemacht!«
»Weiß ich jetzt gar nicht mehr«, sagt Ida und bleibt ebenfalls stehen.
Einen Moment blicken wir schweigend auf den im Luftzug leicht hin und her schaukelnden Türstoff. Dann gebe ich mir einen Ruck, öffne die Türganz und blicke hinein. Auf den ersten Blick wirkt das Zelt wie immer: Minikühlschrank, Reisetaschen, Schuhe, mein Handy – alles da.
»Es sieht nicht aus, als ob etwas fehlen würde.«
»Aber hier war jemand drin«, flüstert Ida erschrocken und berührt meinen Arm. Rocky schnüffelt ebenfalls irritiert und knurrt kurz. Will er anzeigen, dass etwas nicht stimmt?
Unsere Betten sehen etwas zerknittert aus, mein Schlafsack ist von der Luftmatratze gerutscht und, wenn mich nicht alles täuscht, liegt ein ganz leichter Hauch eines fremden, süßlichen Parfums in der Luft. Warum erinnere ich mich jetzt an heute Morgen, als ich allein im Wald stand und plötzlich das Handy klingelte?
»Hier riecht’s nach dem Aftershave meines Exfreunds«, sagt Ida, immer noch genauso leise wie zuvor.
Ich muss lachen, wieso, weiß ich auch nicht. Das klingt so absurd. »Das kann ja wohl nicht sein, dass dein Ex hergekommen ist und hier rumspukt.«
»Er ist eifersüchtig.«
»Na und. Das ist Tobias auch. Wer war eigentlich dein Ex? Kenne ich den zufällig? Und wie viele Exfreunde hast du überhaupt schon? Das weiß ich ja alles nicht. Das wolltest du mir noch erzählen.«
»Wollte ich nicht.«
»Wolltest du doch!« Ich lege den Kopf schief, versuche sie zu necken, aber sie sieht jetzt nicht aus, als ob sie zu Späßen aufgelegt wäre. Im Gegenteil: Sie wirkt äußerst erschrocken.
»Hey, Ida, wer auch immer dein mysteriöser Exfreund ist, er hat hier bestimmt nicht sein Aftershave ausgekippt! Mensch, jetzt lach doch mal! Was ist denn los? Du bist Camping nicht gewohnt, was?« In Wahrheit denke ich: Du bist ein bisschen verrückt, liebe Ida, man sieht es dir nicht an, aber wenn man, wie ich, heimlich in deinem Notizbuch liest, kommt man ganz schnell drauf.
»Hier war keiner drin«, sage ich überzeugt. »Vielleicht habe ich das Zelt gar nicht zugemacht.«
Meine Freundin beißt sich fest auf die Lippen. Das tut sicher weh und sieht nachher gar nicht schön aus.
»Ehrlich«, wiederhole ich mit Nachdruck, »du brauchst dir keine Sorgen zu machen. Weiß denn dein eifersüchtiger Ex, dass du hier bist?«
»Nein!« Sie dreht den Kopf weg, schlingt die Arme um den Körper, krallt die Finger in die Haut. Meine Güte! Hoffentlich fängt sie nicht gleich vom geilen Teufel an!
»Dann kann er ja auch kaum hergekommen sein, um sein Aftershave in unserem Zelt zu entsorgen. So, und jetzt lass uns mal gucken, ob nichts weggekommen ist«, schlage ich ruhig und sachlich vor und bringe Ida dazu, stumm ihre Taschen zu überprüfen.
»Also, bei mir fehlt nichts«, melde ich nach einer Weile. »Bei dir?«
Keine Antwort. Mit einer an Lähmung grenzenden Langsamkeit schaut sie sich jedes Teil aus ihrer Tasche genau an, dreht und wendet es, befühlt es,riecht daran. Das ist aber nun wirklich übertrieben! Unheimlich ist mir das! Mensch, worauf hab ich mich da eingelassen?
Ich bin erleichtert, als auf einmal Fabi und Hannes vor dem Zelt auftauchen.
»Hallo, Nele, wie geht’s dir? Hast du den Schock überstanden? Kommt ihr mit baden?«
»Ja, mir geht’s besser.« Ich verlasse das Zelt. »Nur wie ich aussehe … Guckt euch das an! Eigentlich wollten wir heute Abend noch zu diesem Flussfest, von dem ein Werbeplakat an der Rezeption hängt.«
»Also, wenn alle Leute vor euch flüchten, tanzen wir mit euch!« Fabi lacht. »Wir opfern uns freiwillig.«
»Sehr nett.«
»Sind wir immer!«
Zu dritt albern wir eine ganze Weile herum, reden über genmanipulierte Killerwespen und die neusten Horrorfilme und warten auf Ida. Ida kommt aber nicht. Da Fabi schon fragt, was sie macht – »SMS an den
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