Vogelfrei
sich in seine Arme. Ihr Kopf ruhte an seiner Schulter, die ineinander verschränkten Hände auf ihrem Bauch.
Iain stand neben dem Herd, seinen silbernen Weinkelch mit dem eingravierten Bild eines Bären in den Händen. Er räusperte sich vernehmlich und bat dann um Ruhe. Cait drückte Dylans Hand, doch er vermied es, sie anzusehen. Entweder verlief dieser Abend glimpflich, dann war alles in Ordnung, oder es würde gleich zu einer hässlichen Szene kommen. Über seinem Kopf schwirrte etwas Weißes, er blickte auf und sah in Sinanns lächelndes Gesicht. Die Fee schwebte wie ein Schutzengel über ihm und Cait.
»Es ist mir schon seit einiger Zeit bekannt«, hob Iain an, »dass meine Tochter und ein gewisser junger Mann mehr als nur freundschaftliche Gefühle füreinander hegen.« Alle Augen richteten sich auf das Paar, und Dylan musterte Iain verstohlen, als dieser fortfuhr: »Heute Abend betrachte ich mich als einen glücklichen Mann, denn ich kann der Wahl, die meine Tochter getroffen hat, nur von ganzem Herzen zustimmen.« Ein schiefes Lächeln huschte über sein Gesicht, und seine Stimme nahm einen verschwörerischen Klang an. »Aber wir alle wissen, dass Cait stets das tut, was sie will. Wahrscheinlich würde sie ihn auch heiraten, wenn er ein Bettler wäre.« Hier und da wurde Gelächter laut. »Und so habe ich die große Freude, die Verlobung meiner Tochter mit unserem in Virginia geborenen Clansmann zu verkünden, der trotz seiner Herkunft ein Schotte durch und durch ist - Dylan Robert Matheson!« Die beiden R im Namen Robert hatte er besonders stark gerollt. Dann drehte er sich zu Dylan und Cait um und hob seinen Kelch. »Tita mo beannachd-sa agad.« Mit diesem Segensspruch trank er einen großen Schluck Wein.
Erregtes Gemurmel erhob sich im Raum; einige der Anwesenden wirkten überrascht, einige erfreut, andere sichtlich unangenehm berührt. Dylan warf Artair und Coll einen verstohlenen Blick zu. Es überraschte ihn nicht, dass beide hochrot angelaufen waren und aufgeregt miteinander flüsterten.
Sarah sprang von ihrem Platz auf, rannte quer durch die Halle und verschwand in dem Gang, der zu den Türmen führte. Dylan sah ihr nach, dann blickte er fragend zu Sinann auf, doch die Fee schien Sarahs Flucht nicht bemerkt zu haben.
Iain bat erneut um Ruhe, und als sich die erste Aufregung gelegt hatte, sagte er: »Die Hochzeit wird am Sonntag in drei Wochen stattfinden, wenn der Gemeindepriester uns wieder mit seiner Gegenwart beehrt. Wenn niemand Einwände erhebt«, hier blickte er mit schmalen Augen flüchtig in Dylans Richtung, »werden die beiden dann hier in der Burg getraut werden, und Dylan wird den Platz meines rechtmäßigen Sohnes einnehmen.«
Ein leiser Fluch erklang aus der Ecke, wo Artair und Coll saßen.
Ohne darauf zu achten, fuhr Iain fort: »Dass du, Dylan, nicht länger über die Tugend meiner Tochter zu wachen brauchst, versteht sich wohl von selbst.« Wieder wurde Gelächter laut. »Stattdessen wirst du die Leitung der Wachpostentruppe übernehmen und von nun an für die Sicherheit der Burg verantwortlich sein.« Dylan übersetzte Iains Worte rasch in moderne Begriffe und kam zu dem Schluss, dass er sozusagen der Feldwebel der zum Schutz der Burg abgestellten Männer werden sollte - seinen neun ehemaligen Kameraden, mit denen er die Schlafbarracke geteilt hatte. Iain hob die linke Hand. »Und vielleicht findest du darüber hinaus noch etwas Zeit, um unseren Leuten deine merkwürdigen Kampftechniken beizubringen.«
Dylan grinste. Wieder einmal hatte das Schicksal ihm Kung-Fu-Schüler beschert.
In dieser Nacht wurde viel gesungen, und die meisten Lieder handelten von erfüllter oder enttäuschter Liebe. Sarahs ältester Sohn Eóin nahm Caits Platz auf Dylans Schoß ein und plapperte eifrig über seinen am Leben gebliebenen kleinen Bruder, der jetzt vier Jahre alt war. Dylan beteiligte sich auf Gälisch an der Unterhaltung und dachte voller Glück daran, dass Cait und er sicherlich eines Tages eigene Kinder haben würden. Ein ganzes Dutzend, wenn es nach ihm ging.
Am nächsten Morgen ließ Iain Dylan ausrichten, dass er sich zusammen mit Malcolm, Artair und Coll zu einer Jagd einfinden möge.
Dylan, der in seine Kammer gegangen war, um sein Schwert zu holen, sagte zu Sinann: »Ziemlich kurzfristig angesetzter Ausflug, findest du nicht? Mir wurde mitgeteilt, wir würden voraussichtlich einige Tage fortbleiben.« Vorräte waren bereits verteilt worden, und er hatte sich soeben erneut
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