Vogelfrei
deshalb möchte ich es in die Hände eines Mannes legen, der seiner würdig ist.«
Dylan vermochte den plötzlichen Sinneswandel des Lairds immer noch nicht zu fassen. »Heute Morgen wolltest du mich noch umbringen.«
Iains Zorn flammte von neuem auf. »Das würde ich immer noch gern, und ich werde es auch tun, wenn du mir irgendwelche Schwierigkeiten machst. Du hast mir etwas genommen, was mir sehr teuer ist, und wirst jetzt auch noch dafür belohnt. Glaub nur nicht, dass mir mein Entschluss leicht gefallen ist.« Er blickte zu Malcolm hinüber und fuhr dann etwas ruhiger fort: »Aber ich hatte Zeit, über alles nachzudenken und die verschiedenen Möglichkeiten abzuwägen, und inzwischen denke ich, dass deine Liebe zu Cait ein Geschenk Gottes sein könnte. Eine Entschädigung für die Söhne, die ich verloren habe, als sie noch Kinder waren, und eine Gelegenheit, die Macht an einen Mann weiterzugeben, der sie sich nicht von jenen entreißen lassen wird, die dem Clan Schaden zufügen würden.«
Dylan holte tief Atem, seine Gedanken überschlugen sich. Noch vor wenigen Minuten schien sein Tod eine beschlossene Sache zu sein, und nun bot sich ihm die Möglichkeit, Iain Mórs Titel und seine Ländereien zu erben. Doch als er eingehender über alles nachdachte, wurde ihm klar, dass sowohl Artair als auch Coll ihn eher töten würden, als sich Iains Wünschen zu fügen. Außerdem würde seine Verbindung mit Iain Mór die Aufmerksamkeit der Krone auf ihn lenken. Man würde annehmen, er habe sich den Jakobiten ebenfalls angeschlossen, und in eineinhalb Jahren stand der nächste, zum Scheitern verurteilte Aufstand bevor.
Wieder einmal war eine Falle um ihn herum zugeschnappt, und er wurde die dunkle Vorahnung nicht los, dass seine Tage gezählt waren.
14.
Die Unterredung war zu Ende. Dylan wurde angewiesen, seine Habseligkeiten in eine Kammer im Nordturm zu schaffen, da er von seinem Posten als Caits Leibwächter entbunden war. Er ging in seine eigene Kammer, um seine Truhe zu leeren, nahm aber als Erstes Caits Hände in die seinen und flüsterte ihr zu, was zwischen ihrem Vater und ihm besprochen worden war. »Er hat nicht nur unserer Hochzeit zugestimmt«, sagte er leise, ihre Hände zärtlich drückend, »sondern er denkt auch daran, mich zu seinem Erben zu machen.«
Zuerst malte sich schiere Verblüffung auf Caits Gesicht ab, dann jauchzte sie vor Freude auf und umarmte ihn. Dylan konnte ihre Begeisterung nicht ganz teilen. Sein Leben würde eine große Veränderung erfahren, von der er noch nicht wusste, was sie ihm bringen würde, aber das Einzige, was für ihn zählte - seine Beziehung zu Cait -, blieb davon unberührt. Sie liebte ihn ebenso innig wie er sie, und diese Liebe würde er sich von nichts und niemandem zerstören lassen. Auch Cait versicherte ihm dies wieder und wieder, während sie von der wundervollen Zukunft schwärmte, die vor ihnen lag.
Als sie sich so weit beruhigt hatte, dass er auch einmal zu Wort kam, sagte er: »Aber ich muss sofort in den Nordturm umziehen.« Er gab sie frei, und als er ihre Hand küsste, sah er, dass sie seinen Ring trug. Mit einem zufriedenen Lächeln wandte er sich ab und kniete sich auf den Boden, um die Truhe zu leeren.
Cait stemmte die Hände in die Hüften. »Natürlich musst du das. Es wäre keine gute Idee, dich auch weiterhin vor meiner Tür schlafen zu lassen. Schließlich könntest du versuchen, mich zu verführen.« Der Sarkasmus in ihrer Stim- me brachte ihn zum Lachen. Die ganze lange Wartezeit war vermutlich ohnehin für die Katz gewesen. Das ganze Tal würde jetzt davon ausgehen, dass sie schon seit Monaten miteinander schliefen.
Achselzuckend breitete er seinen zweiten Kilt und seine sauberen Hemden auf der Pritsche aus, legte alles zusammen und verschnürte es zusammen mit dem Gedichtband zu einem Bündel. Dann schob er seinen sgian dubh in die Scheide an seinem Arm, steckte Brigid in seine Gamasche, schlang sich sein Wehrgehänge samt Schwert über die Brust, befestigte seine Tasche an seinem Gürtel, warf sich den Mantel über, klemmte sich das Bündel unter den Arm und beugte sich zu Cait hinunter, um sie zu küssen.
»Nun tu nicht so, als wäre dies ein Abschied für immer«, sagte sie lächelnd. »Ich begleite dich noch zu deiner neuen Unterkunft.«
Dylan schüttelte den Kopf. »Lieber nicht. Es wird ohnehin schon genug über uns geredet, also sollten wir den Leuten nicht noch mehr Anlass zum Tratschen geben. Wir sehen uns beim
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