Vogelfrei
Robins Bogen und den Köcher mit Pfeilen ausgeliehen.
Sinann, die mit untergeschlagenen Beinen auf dem Bett saß, zuckte mit den Achseln. »Du hast das ganze Tal in helle Aufregung versetzt. Jeder Mann hier ist von deiner Heirat mit Cait indirekt betroffen, denn nun bist du derjenige, der dem Laird am nächsten steht. Iain Mór will wissen, wie du in deiner neuen Position mit seinen engsten Verwandten zurechtkommst. Es ist ein Test, mein Freund.«
Dylan seufzte. Verglichen mit dem, was ihm da bevorstand, war selbst der härteste Kung-Fu-Kampf ein Kinderspiel.
Der Schnee war weitgehend geschmolzen, doch die Luft war noch immer kalt und der Boden matschig. Die Jagdgesellschaft stieg in ein tiefer gelegenes Tal hinab, wo Wald und Unterholz dichter waren und wo eher die Möglichkeit bestand, auf Wild zu stoßen. Nachdem es am frühen Morgen heftig geregnet hatte, kam jetzt die Sonne heraus und trocknete die Kleidung der Männer. Gegen Mittag legten sie eine Pause ein, die Jäger ließen sich auf einem von der Sonne erwärmten Felsen nieder, und Iain verwickelte Malcolm in ein Gespräch, während sie einen Teil ihrer Vorräte verzehrten.
»Nächsten Monat treiben wir die spreidhe der MacDonells Richtung Süden, nach Glenfinnan. Ramsay hat sich bereit erklärt, sie von dort nach Edinburgh zu schaffen. Dort kann er sie an die Engländer verkaufen und von dem Erlös anderes Vieh erwerben und nach Norden treiben.«
Dylan blickte Sinann an, die das Gespräch aufmerksam verfolgte, doch die Fee zuckte lediglich mit den Achseln. Sie hatte auch keine Ahnung, wer Ramsay war.
»Kommt er hierher?«, fragte Malcolm.
Iain schüttelte den Kopf. »Nein. Und das ist auch gut so, wenn du mich fragst.«
»Du hast es ihm also noch nicht gesagt?«
»Ich sage es ihm, wenn ich den Zeitpunkt für richtig halte. Wenn es sich nicht mehr vermeiden lässt.«
»Wenn alles vorbei ist, meinst du.«
Dylan unterbrach sie, da sie sich keine Mühe machten, leise zu sprechen. Er fand, er sollte wissen, worum es ging, wenn sie sich schon in seiner Gegenwart unterhielten. »Wer ist dieser Ramsay?«
Iain setzte zu einer Antwort an, aber Artair warf rasch ein: »Hältst du das für klug, Iain?«
Der Laird funkelte seinen jüngeren Halbbruder finster an. »Hältst du es für richtig, dass ein Grünschnabel wie du sich ungefragt einmischt? Warte, bis dir Haare auf den Eiern wachsen, dann kannst du mir sagen, was du für klug hältst und was nicht.«
Artair verstummte.
Iain wandte sich an Dylan. »Connor Ramsay macht Geschäfte mit uns und übernimmt manchmal besondere Aufträge. Obwohl er sich der Öffentlichkeit als Whig präsentiert und Beziehungen zu einigen Mitgliedern des Staatsrates pflegt, unterstützt er insgeheim König James.«
Dylan runzelte die Stirn. »Ein bekennender Whig? Kannst du ihm wirklich trauen?«
Malcolm kicherte in sein Bannock und warf Iain einen viel sagenden Blick zu.
Iain zuckte mit den Achseln. »Bislang hat er uns noch nie betrogen, und wenn die Krone je von seinen geheimen Tätigkeiten erfährt, wird er als Verräter am Galgen enden.«
Artair schnaubte. »Und wenn er uns hintergeht, wird er als Verräter erschossen. Sollte ihn der falsche Mann dabei ertappen, blüht ihm vielleicht ein noch schlimmeres Schicksal.« Sein Tonfall ließ keinen Zweifel daran, wer dieser falsche Mann war.
Solche Worte riefen zustimmendes Gemurmel seitens der anderen Männer hervor, die, wie Dylan vermutete, alle nur allzu gern bereit wären, einem Verräter seine gerechte Strafe zukommen zu lassen.
Iain fuhr fort: »Er ist wohlhabend, und er hat Zugang zu Informationen, die für uns von großem Nutzen sind. Wir werden ihm vertrauen, bis er uns Anlass gibt, an seiner Loyalität zu zweifeln.« Er stand auf und mahnte zum Aufbruch.
Bei Einbruch der Dunkelheit gelangten sie zu einer in einem bewaldeten Tal gelegenen Ansammlung von Hütten. Diese Gegend gehörte noch zu Iains Herrschaftsgebiet, doch kannte Dylan keinen der Pächter hier. Die hier ansässigen Mathesons kamen nur äußerst selten nach Glen Ciorram, denn dazu mussten sie einen eintägigen Fußmarsch auf sich nehmen.
Die Gruppe übernachtete in einer von einer Familie mit sieben Kindern bewohnten Torfhütte. In Ciorram gab es noch größere Familien, und so war es für Dylan keine Überraschung, dass alle Kinder zusammen in einem Etagenbett schliefen. Die Männer bekamen Salzfleisch vorgesetzt und legten sich dann, in ihre Plaids gehüllt, auf dem schmutzigen Boden zum
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