Vogelfrei
»Habt Ihr bemerkt, dass man mich befördert hat?«
Seufzend betrachtete Dylan den Rotrock genauer. Er kannte sich mit den Abzeichen der englischen Armee dieses Jahrhunderts nicht besonders aus, also musste er raten. »Zum Major?«
Ein breites Lächeln trat auf Bedfords Gesicht. »Ganz recht. Ich stand schon lange auf der Beförderungsliste, aber da man mich auf diesen Posten im Landesinneren abgeschoben hat, haben meine Vorgesetzten kaum Kenntnis von meinen Fähigkeiten genommen. Ich bin nicht annähernd so rasch befördert worden, wie ich es verdient hätte, aber das wird sich ändern. Vielleicht verhilft mir Eure Verhaftung dazu, an einen anderen Ort versetzt zu werden, dann sind meine Tage in dieser Wildnis gezählt. Ich würde Euch gerne meine Dankbarkeit dadurch ausdrücken, dass ich Euch die Möglichkeit gebe, Euren Kopf zu retten. Erzählt mir, was ich wissen will, dann lasse ich Euch frei und Ihr könnt zu Euren dreckigen Freunden zurückkehren. Überlegt es Euch gut. Das ist vermutlich das beste Angebot, was man Euch in den letzten Tagen gemacht hat.«
Dylan starrte ihn einen Moment lang an, dann sagte er mit unverhohlenem Spott in der Stimme: »Weißt du was, Chef? An deiner Guter-Cop-Böser-Cop-Masche musst du aber noch gewaltig arbeiten.«
Bedford konnte die Bemerkung natürlich nicht verstehen, aber er begriff, dass Dylan sich über ihn lustig machte. Seine joviale Art war wie weggewischt, mit abgehackten Bewegungen, die seine ohnmächtige Wut verrieten, drehte er sich zum Tisch um und knotete das Bündel auf, das darauf lag. Darin befanden sich Dylans Besitztümer: sein Schwert nebst Wehrgehänge, die Dolche und sein sporran.
Bedfords Stimme klang schneidend. »Hier ist mein letztes Angebot, Matheson. Liefert mir die Informationen, die ich haben will, und ich lasse Euch laufen. So einfach ist das. Packt endlich aus, dann erhaltet Ihr auch Eure Sachen zurück, sogar Eure Waffen. Und ich lege noch etwas drauf.« Jetzt klang er wie ein Showmaster, der seinem Kandidaten gerade einen besonders verlockenden Preis in Aussicht stellt. »Ihr bekommt dazu noch ein neues Hemd.« Er hielt ein gebleichtes weißes Leinenhemd mit Rüschen an Kragen und Ärmeln in die Höhe. »Ich würde sagen, das ist ein mehr als fairer Handel. Im Gegenzug müsst Ihr mir nur Informationen über einen Mann geben, den Ihr wohl kaum noch als Euren Vetter betrachten dürftet.«
Als Bedford ihm anbot, ihm seine Waffen zurückzugeben, erkannte Dylan, dass er in eine Falle gelockt werden sollte. Der Mann hatte nicht die Absicht, ihn jemals wieder laufen zu lassen, egal was er sagte oder tat. Es war undenkbar, dass er Dylan so ohne weiteres seine Waffen aushändigen würde. Sie waren nur der Köder, nach dem er schnappen sollte. Wortlos blickte er den Rotrock an. Er wusste, dass sein Schicksal besiegelt war.
Bedfords Stimme wurde eiskalt. »Ihr seid wohl noch nie ausgepeitscht worden, oder? Nein, ich sehe, das ist Euch bislang erspart geblieben.« Er deutete lässig auf Dylans nackten Rücken. »Vielleicht möchtet Ihr ein wenig darüber nachdenken, ehe Ihr mein Angebot zurückweist. Schon so mancher Mann ist unter der Peitsche gestorben, besonders wenn derjenige, der die Strafe vollzieht, sich nicht an lästige Vorschriften halten muss, die die Anzahl der Hiebe und die Pausen dazwischen regeln. Ich glaube doch kaum, dass Euch irgendwer in dieser verfallenen alten Burg so viel bedeutet, dass Ihr seinetwegen Euer Leben aufs Spiel setzen wollt.«
Dylan schloss die Augen und versuchte, jeglichen Gedanken an Ramsay, Cait und den toten Coll zu verdrängen. Stattdessen dachte er an Iain und an all die Menschen, die er im Laufe des vergangenen Winters kennen gelernt hatte - an Sarah und den kleinen Eóin, an Gracie, an Seonag, an Robin und Marc und an Malcolm, der ihm fast von Anfang an sein Vertrauen geschenkt hatte. Sie bildeten seinen Clan, und sein Tod würde sie vor Unheil bewahren. Er schlug die Augen wieder auf und starrte Bedford an wie ein besonders ekelhaftes Insekt, dann holte er einmal tief Atem. »Fao-daigh thu a'póg mo thóin!«
Bedford lachte laut auf, konnte jedoch seinen Ärger nicht verbergen. »Danke für Euer großzügiges Angebot! Einen wahrlich strammen Arsch bietet Ihr mir da an!« Er trat an den Pfahl heran und schob sein Gesicht ganz nah an Dylans heran. Sein Atem stank bestialisch. »Aber ich muss leider ablehnen. Sodomie zählt nicht zu meinen zahlreichen Lastern. Eher würde ich ein Schwein vögeln als einen
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